Seit einigen Wochen entwickelt sich bei der einfachen Bevölkerung in Frankreich eine Protestbewegung gegen die Spritkosten und die hohen Steuern, wo Kleinunternehmer/innen und Arbeitende zusammen protestieren. Zu diesem Thema veröffentlichen wir einen Leitartikel von „Lutte ouvrière“. Er zeigt, wie sich revolutionäre Aktivist/innen in der von der Bewegung der „Gelbwesten“ geschaffenen Situation an die Arbeiter/innenklasse wenden. (Sie nennen sich so, da sie mit gelben Warnwesten demonstrieren und als Protest Straßen und Autobahnen blockieren.)

 

Um unseren Lebensstandard zu verteidigen, müssen wir für die Erhöhung der Löhne, der Pensionen und der Sozialleistungen kämpfen

 

 

21. November 2018

Mit hunderttausenden Demonstranten bei mehr als 2.000 Versammlungen wurde die Mobilisierung am Samstag, den 17. November, zum Erfolg. Trotz des tragischen Tods einer Demonstrantin in der Savoie (einer französischen Region) und mehreren Verwundeten an anderen blockierten Orten. Manche Aktionen wurden sogar an den darauffolgenden Tagen fortgesetzt.

Diese Mobilisierungen haben Demonstranten versammelt, die, was die Mehrheit betrifft, dabei ihre erste kollektive Aktion erlebt haben. Sie wurden an der Basis organisiert, außerhalb des üblichen Rahmens von Parteien oder Gewerkschaftsführungen. Die Minister, die die Abwesenheit «einzelner Organisatoren» betont haben, bedauerten in Wirklichkeit, dass sie keine Gesprächspartner hatten, um die Bewegung so schnell wie möglich zu stoppen. Für die arbeitende Klasse ist das Problem umgekehrt: Es geht darum, in den Kampf einzuziehen und ihn auf der Basis ihrer Interessen zu organisieren.

Die Aktionen des letzten Wochenendes drücken eine legitime Wut aus, ausgelöst durch Preiserhöhungen beim Benzin. Diese Preiserhöhung war ein Tropfen zu viel und hat das Fass zum Überlaufen gebracht hat, und eine viel weitergehende Wut hat sich Luft gemacht.

Das haben an den Blockaden teilnehmende Angestellte des öffentlichen oder des privaten Sektors, Arbeitslose und Pensionisten erzählt: Sie können es nicht mehr aushalten, auf so viel verzichten zu müssen und sich den Gürtel enger zu schnallen, damit sie sich bewegen können, sei es nur um in die Arbeit zu fahren… oder um eine Stelle zu suchen!

Die Welt der Arbeit muss ihre eigenen Ziele in den Vordergrund rücken und sich auf der Basis ihrer eigenen Forderungen mobilisieren. Der Slogan «Macron, Kündigung!» findet allgemeine Zustimmung, und es ist in der Tat verständlich, diese Regierung der Reichen loswerden zu wollen!

Wenn sie aber für ihr Recht auf eine würdige Existenz kämpfen wollen, müssen die Arbeitenden die Auftraggeber anvisieren: die kapitalistische Klasse, der Macron jeden Wunsch von den Augen abliest und die den Krieg gegen die Arbeitenden führt.

Es ist genau deshalb, damit die Aktionäre der Großbetriebe weitere Milliarden anhäufen können, dass den Arbeitenden ein bloßes Überleben aufgezwungen wird, mit zu niedrigen Löhnen oder zu wenig Arbeitslosengeld, sobald die Unternehmer entscheiden, Betriebe zu schließen, um noch mehr Profit zu machen.

In der Bewegung der gelben Westen befinden sich andere soziale Kategorien als die Lohnabhängigen. Die Unternehmer des Transports oder des Bauwesens, Landwirte und selbständige Handwerker rücken die Forderungen gegen die Steuern in den Vordergrund, was der Verteidigung ihrer Interessen entspricht. Diese Forderungen gegen die Steuern beschränken die Mobilisierung auf der Basis der Opposition gegen die Regierung, was auch den Konservativen und den Rechtsradikalen ermöglicht zu versuchen, mitzumachen. Solange man die Profite der kapitalistischen Klasse nicht infrage stellt, haben Politiker/innen wie Le Pen, Dupont-Aignan oder Wauquiez überhaupt kein Problem damit, Reden über die Interessen des Volkes zu halten.

Das öffentliche Geld, das Geld der Steuern und Taxen, wird immer mehr der Großbourgeoisie direkt gewidmet. Es sind die Großbetriebe des CAC 40 (der 40 größten französischen Konzerne), die Milliarden an Fördermitteln und Steuerkredite bekommen. Und sollte sich die Regierung schließlich dazu entscheiden, die Kleinunternehmer von der Treibstoffsteuer teilweise oder sogar ganz zu befreien, wird sie einen anderen Weg suchen, sich das Geld aus den Taschen der Arbeitenden zu holen, was die kapitalistische Klasse verlangt.

Der Premierminister, Edouard Philippe, hat am 18. November behauptet, dass seine Regierung nicht nachgeben würde und dabei auch versprochen, «diejenigen zu begleiten, deren Leid er hört». Die Arbeitenden bitten aber nicht um Verständnis oder Barmherzigkeit, um über die Runden zu kommen! Sie verlangen, von ihrer Arbeit würdig leben zu können: Denn sie halten die ganze Gesellschaft am Laufen, oder haben es getan, bevor sie arbeitslos wurden oder in die Pension gingen.

Um zu verhindern, dass unser Lebensstandard sinkt, müssen wir die Erhöhung der Löhne, der Sozialleistungen und der Pensionen verlangen, und ihre sofortige und automatische Anpassung an die Preise. Und das bedeutet, einen breiten Kampf gegen die Großunternehmer und die in ihrem Dienst stehende Regierung zu führen.

Die Lohnabhängigen kennen sich und treffen sich jeden Tag in den Betrieben, wo sie zahlreich sind. Also verfügen sie über alle Mittel, um diesen Kampf zu organisieren. Sie verfügen über eine sehr mächtige Waffe, denn sie stehen mitten in der Produktion, des Handels, der ganzen Wirtschaft. Der Streik ermöglicht es ihnen, die Kapitalist/inn/en da zu treffen, wo sie am empfindlichsten sind: an der Quelle des Profits!

Ob man an den Aktionen am Wochenende teilgenommen hat oder nicht, es ist notwendig nun unter Arbeitenden weiter zu diskutieren und sich darauf vorzubereiten, uns das Geld zu holen, das uns jeden Monat fehlt, da wo es ist: in den Kassen der Großunternehmer!

 

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