Letzte Woche wurden 18 Bergarbeiter in der Türkei in einer Grube eingeschlossen. 300 Meter tief liegende Teile stürzten ein und wurden von Wasser überflutet, sie verschütteten die dort Arbeitenden. Der Arbeitsminister gab zu, dass die Sicherheit der Arbeiter eigentlich nicht gegeben war.
Er räumt ein, dass die Behörden dem Unternehmen keine Lizenz für den Abbau hätten geben dürfen. Zusätzlich sind die Familien der Verunglückten empört darüber, dass die Bergwerksgesellschaft schon mehrere Monate keinen Lohn zahlte. Das Grubenunglück erinnert an andere tragische Arbeitsunfälle, wie zum Beispiel an jenes in der Westtürkei im Mai diesen Jahres. Damals stürzte ein Bergwerk ein, wo 301 Kumpel ums Leben kamen. 2 Wochen vor dem Unglück war noch eine Überprüfung der Sicherheit, wegen massiven Sicherheitsbedenken der Opposition, abgelehnt worden. Der Präsident Erdogan meinte im Nachhinein nur kühl, dass Arbeitsunfälle eben, wie überall auf der Welt, passieren. In beiden Fällen sind die genauen Ursachen jedenfalls nicht geklärt.
Arbeitsunfälle und tödliche Arbeitsunfälle sind keine Einzelfälle. Nur über wenige wird in den Medien berichtet. Laut internationaler Arbeitsorganisation (ILO) steht der Tod von 2,3 Millionen Menschen jährlich in Zusammenhang mit der Arbeit. Das bedeutet, dass alle 15 Sekunden ein Arbeiter/eine Arbeiterin durch einen Arbeitsunfall oder eine arbeits-assoziierte Krankheit stirbt. Sei es durch giftige Chemikalien, Staub, Asbest oder direkte Arbeitsunfälle. Etwa 350.000 Arbeitsunfälle jährlich enden tödlich. Und 350 Millionen Menschen erleiden einen Arbeitsunfall, der zwar nicht tödlich endet, aber häufig zu bleibenden Schäden führt. Das ist einer von acht Arbeiter/innen weltweit. Für Arbeiter/innen in Ländern ohne öffentliche medizinische Versorgung und Arbeitslosenversicherung bedeutet auch das in der Folge oft den Tod.
In den Augen der Vertreter/innen der Konzerne sind die Unfälle und Erkrankungen der Arbeiter/innen Einzelschicksale, seltene Tragödien, die oft genug auf die Unachtsamkeit der Betroffenen zurückgeführt werden. Tatsächlich sind sie ein Resultat des Kapitalismus. Dass es keine Einzelfälle sind, zeigen alleine schon die Zahlen. Das Profitstreben der Konzerne geht über Leichen. Der größtmögliche Profit wird erzielt, wenn die Arbeiter/innen für den geringsten Lohn so lange wie möglich arbeiten. Wenn sie, sobald sie krank oder älter werden, und nicht mehr im erforderlichen Tempo arbeiten können, einfach entlassen werden können. Es wird keine Rücksicht auf Übermüdung oder Bedenken über Sicherheitsrisiken durch die Arbeiter/innen genommen. Denn das alles würde ja den Profit schmälern. Wenn die Arbeitenden dabei giftigen, schädigenden Substanzen ausgesetzt sind, wird das so gut wie möglich vertuscht. Manchmal nicht einmal das. Und diejenigen, die die schädlichsten Arbeiten verrichten, sind oft Rechtlose, nach denen kein Hahn kräht, wenn ihnen etwas zustößt.
Selbst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) räumt ein, dass die Weltwirtschaft zwar einen großen Schritt vorwärts gemacht hat, aber die Mehrheit der 2,6 Milliarden Arbeiter/innen weiterhin unter Bedingungen arbeiten muss, die weit unter den internationalen Gesundheits- und Sicherheitsstandards liegen.
Die Ursachen
Die weltweit etablierten Gesundheits- und Sicherheitsstandards, wie auch immer sie im Detail für verschiedene Bereiche aussehen mögen, existieren. Fakt ist, dass die meisten Arbeiter/innen schlechtere Arbeitsbedingungen haben, als diese Standards vorsehen. Viele meinen, es sollte einfach bessere und verstärkte Kontrollen geben, damit sich die Unternehmen auch daran halten müssten.
In unserer Gesellschaft, die die Kapitalist/inn/en fest in ihren Händen halten, gibt es einige Gründe, wieso seit Jahrzehnten nur geredet wird, die Situation für die Arbeitenden real aber nicht besser wird. Die technischen Möglichkeiten wären vorhanden. Aber diese auch anzuwenden, für den bestmöglichen Schutz der Arbeitenden, kostet Geld. Sanierungen regelmäßig durchzuführen und nicht erst zu warten, bis tatsächlich etwas passiert, ist oft teurer als die Entschädigung der Angehörigen eines verunglückten Arbeiters. Diese Ausgaben sind nicht gut für den Profit. Deshalb werden sie hinausgezögert oder nur unzureichend durchgeführt.
Angeblich leben wir in einer freien Gesellschaft. Aber frei ist nur der, der Geld hat. Die arbeitende Klasse muss sich ihren Lebensunterhalt erarbeiten ohne große Geldreserven. Da diese Einkünfte lebensnotwendig sind, können sie auch nicht frei entscheiden. Die Bedingungen, denen sie sich fügen müssen, werden von den Kapitalist/inn/en vorgegeben. Diese sind dann schlechte Bezahlung, überlange Arbeitszeiten, körperlich schwere gesundheitsgefährdende Tätigkeiten.
Wer das Geld hat, hat die Macht
Der Einfluss der Konzerne auf die Politik ist nicht zu leugnen. Handelsabkommen werden auf politischer Ebene abgeschlossen. Politiker/innen sind Unternehmer/innen und Unternehmer/innen befinden sich in der Politik. Unternehmen können eine Vielzahl an Menschen beschäftigen, die dafür arbeiten, die Interessen der Konzerne in der Politik durchzusetzen, bis hin zu immensen Zahlungen an einzelne Politiker/innen. Sie alle arbeiten für den Profit. Sicherheits- und Gesundheitsbestimmungen für die Arbeiter/innen sind aber ein Hindernis für den Profit. So sind auch die allermeisten Politiker/innen nicht auf der Seite der Arbeiter/innen, sondern auf der Seite der Unternehmen. Sie selbst profitieren häufig davon und decken die lebensgefährlichen Zustände.
Geschäftsgeheimnis- Mittel zur Verschleierung
Mit dem Argument des Geschäftsgeheimnisses sperren die Konzerne kritische Journalist/inn/en und die Öffentlichkeit aus. Die Kapitalist/inn/en geben nur Einblick in die Arbeitsbedingungen, wo und wann sie es wollen. Ausgenommen sind vielleicht einzelne Inspektor/inn/en, die leichter hinters Licht zu führen sind und mit Geld abgefertigt werden können. Mit dem Totschlagargument des Geschäftsgeheimnisses können sie unzumutbare Arbeitsbedingungen geheim halten und unliebsame Fragen zurückweisen. Giftige Stoffe mit denen Arbeiter/innen hantieren müssen, unzumutbare körperliche Belastungen, Kinderarbeit, alles bleibt wegen des Geschäftsgeheimnisses verborgen. Und die Arbeiter/innen werden oft genug gezwungen zu schweigen, wenn sie ihren Job behalten wollen.
Die Arbeitsbedingungen in verschiedenen Teilen der Welt sind oft sehr unterschiedlich. Einige größere Konzerne können es sich leisten die Sicherheitsvorkehrungen für die Arbeiter/innen vor allem in den westlichen Industrienationen auf einem höheren Niveau zu halten. Das hat zwei Gründe. Durch die übermäßige Ausbeutung der Arbeitenden in ärmeren Ländern, machen die Unternehmen immer noch soviel Profit, dass sie den Arbeitenden in reicheren Ländern gewisse Zugeständnisse machen können. Aber auch hier werden in punkto Sicherheit mit dem steigenden Profitdruck viele Risiken unter den Tisch gekehrt. Zum anderen gibt es in den Industrienationen meistens eine Tradition von Arbeiter/innen/organsiationen, Gewerkschaften und Arbeiter/innen/parteien. Sie haben Anfang des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl an Schutzbestimmungen und Gesetzen erkämpft. Zwar passten sich diese Organisationen mit der Zeit dem Kapital immer mehr an und ordneten sich den großen Unternehmen unter, es gibt aber noch einen Druck aus der Bevölkerung. Erkämpfte Errungenschaften sind zwar noch vorhanden, werden aber langsam ausgehöhlt und mit Hilfe dieser Parteien abgeschafft.
Wie soll man diesem Treiben Einhalt gebieten?
Es gibt keinen Profit ohne Arbeiter/innen. Wenn niemand die Waren herstellen würde, könnten die Kapitalist/innen sie auch nicht teuer verkaufen. Die starke Arbeiter/innen/bewegung Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts hat gezeigt, dass nur die organisierten Arbeiter/innen gegen die Macht der Kapitalist/inn/en ankommen können. Damals waren die Zustande und Arbeitsbedingungen in Europa vergleichbar mit denen in den Entwicklungsländern heute. 16 Stunden Arbeit in Fabriken, Kinderarbeit, enorme Arbeitslosigkeit, Armut und Elend. Zusätzlich waren diese Organisationen oft nicht legal und mussten im Untergrund bestehen und die Arbeiter/innen organisieren. Die Arbeiter/innen haben Mut und Durchhaltevermögen bewiesen, haben wahrscheinlich oft selbst nicht an ihre Stärke geglaubt. Und trotzdem haben sie Unvorstellbares erreicht.
Im letzten Jahrhundert ist viel passiert. Zwei Weltkriege haben Millionen Menschen das Leben gekostet, der Nachkriegsboom und die massiven Investitionen der U.S.A. haben viele an eine positive Entwicklung des Kapitalismus glauben lassen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist aber auch eine Ära beendet worden, nun muss den Arbeiter/innen der Kapitalismus nicht mehr schmackhaft gemacht werden. Der erbarmungslose Kampf der Konzerne um die letzten Absatzmärkte für den Profit hat seinen Schleier der Menschlichkeit abgelegt. So wird der Kampf der Konzerne gegen die sozialen Errungenschaften der Arbeiter/innen immer offensiver und schamloser geführt.
Es ist an der Zeit, dass wir das System als das erkennen, das es ist. Ausbeutung und Verelendung der Massen, Luxus und Wohlstand für eine kleine Minderheit. Die weltweite Arbeiter/innenklasse ist keine Erfindung, wie es uns die Kapitalist/innen gerne einreden wollen. Es sind die Milliarden Lohnsklaven und Arbeitslose, die nur ihre Arbeitskraft haben, um zu überleben. Es sind diejenigen, für die die Arbeit gefährlicher ist als Krebs. Und für dieses Risiko bekommen sie nur das Unverständnis und die Zurückweisung der Kapitalist/inn/en und der Politik.
Die Arbeiter/innen in der Türkei gehen auch uns hier etwas an. Die Belastung der Arbeitenden durch die Konzerne wird auch die Arbeitenden in Österreich immer stärker treffen. Viele Konzerne drohen mit Abwanderung in Länder, wo die Arbeitenden unter verheerenden Zuständen leben müssen und schlecht entlohnt werden. Damit bedrohen sie auch uns hier. Sie erpressen die Arbeitenden, dass gewisse soziale Errungenschaften unleistbar sind und setzen die Standards immer weiter hinunter. Der einzige Weg aus dieser Abwärtsspirale heraus ist die Solidarität mit den Arbeiter/inne/n der anderen Länder. Es soll eine Angleichung der Arbeits- und Lebensbedingungen geben. Aber nicht nach unten sondern nach oben.