Aus der Zeitung "das rote Tuch" der Organisation "Bund revolutionärer Arbeiter" November 2018

 

November 1918: Der Beginn der Revolution in Deutschland

 

Vor hundert Jahren, im November 1918 beginnt die deutsche Revolution. Millionen Arbeiter kämpfen in ihr für ein Ende der kapitalistischen Gesellschaft.

1914 stürzt der Kapitalismus die Menschheit in die Barbarei des Ersten Weltkriegs. Als die russischen Arbeiter und Soldaten 1917 ihre Regierung stürzen, selber die Macht übernehmen und allen Völkern der Welt den Frieden anbieten, sind die Arbeiter und Soldaten überall wie elektrisiert. In mehreren Ländern kommt es zu Streiks und Aufständen.

In Deutschland streiken im Januar 1918 fast eine Million Arbeiter für Frieden. Und als die Admiräle Ende Oktober, obwohl der Krieg eigentlich längst verloren ist, 80.000 Matrosen in eine letzte Ehren-Schlacht schicken will, ist das Maß voll. Die Matrosen in Kiel weigern sich auszulaufen, die Werftarbeiter eilen ihnen zur Hilfe. Sie entwaffnen die Offiziere, setzen die Militärbehörden ab und wählen einen Rat aus Vertretern der Arbeiter und Soldaten, der die Leitung übernimmt.

Von da ziehen die Matrosen am 5. November 1918 nach Hamburg, Bremen, Lübeck.... Und überall, wo sie hinkommen – oder auch nur die Nachricht von ihrem Aufstand – erheben sich die Arbeiter und Soldaten, gründen Räte und übernehmen die Leitung der Städte. Innerhalb von 5 Tagen hat die Revolution ganz Deutschland erfasst.

In manchen Städten wie Duisburg lösen die Arbeiter die kaiserliche Polizei auf und gründen Arbeitermilizen. Andernorts fangen sie an, sich in die Entscheidungen der Unternehmen einzumischen. In Hanau verbietet der Arbeiterrat Entlassungen und beschließt den 8-Stunden-Tag. In Müllheim beschließt er 80% Lohnerhöhung. Und vielerorts fordern die Arbeiter die Vergesellschaftung der Zechen, Konzerne und Banken: Sie sollen den Kapitalisten weggenommen und unter die Kontrolle der Arbeiter gestellt werden. Um zu verhindern, dass die Kapitalisten noch einmal einen Krieg anzetteln können – und um die Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu organisieren.

Die Kapitalisten bekommen es mit der Angst zu tun. In ihrer Verzweiflung wenden sie sich an die SPD. Denn in der SPD sind damals zwar hunderttausende Arbeiter organisiert, die in der Revolution aktiv dabei sind und eine sozialistische Gesellschaft erkämpfen wollen. Doch die SPD-Führung hat mittlerweile ihren Frieden mit dem herrschenden System gemacht.
Sie ist der tiefen Überzeugung, dass eine Revolution nur Chaos anrichtet. Sie glaubt eher an die Fähigkeit des kaiserlichen Staates, Verbesserungen durchzuführen – als an die Fähigkeit der Arbeiter, die Gesellschaft zu leiten. Und so setzt sie all ihren Einfluss ein, um die Gesellschaft vor den revolutionären Arbeitern zu „retten“.
Anfangs gelingt es ihr sogar, die Arbeiter davon zu überzeugen, die Räte aufzulösen und ihre Hoffnung in die Wahl eines neuen Parlaments zu setzen. Dieses könne „in Ruhe und Ordnung“ alle Forderungen der Arbeiter auf gesetzlichem Weg durchsetzen.

Revolutionäre wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht versuchen die Arbeiter zu warnen: Wenn sie den Kapitalisten ihre wirtschaftliche Macht und ihren Staat samt Generälen lassen, werden diese die Macht nutzen, um die Revolution niederzuschlagen und alle Hoffnungen der Arbeiter zu vernichten.

Und genau dies tritt ein. Die Generäle gründen paramilitärische Einheiten (sogenannte Freikorps). Ende des Jahres setzen sie sie zum ersten Mal ein, um Streiks und Zechenbesetzungen im Ruhrgebiet zu beenden. Gleichzeitig versucht die SPD, die revolutionären Matrosen aus Berlin zu entfernen.

Die Ereignisse öffnen vielen Arbeitern die Augen. Sie erkennen, dass die SPD nicht auf ihrer Seite steht und ihre Revolution in Gefahr ist. Eine neue revolutionäre Welle beginnt. Doch anders als im November ist die herrschende Klasse diesmal vorbereitet. Die Arbeiter hingegen verfügen über keine Partei, keinen „Generalstab“, der sie auf diesen neuen Kampf hätte vorbereiten und ihr hätte helfen können, den Herrschenden geschlossen gegenüberzutreten. Und so zersplittert die Revolution.

Im Januar gehen in Berlin Hunderttausende für den Sturz der SPD-Regierung und eine Regierung der Arbeiterräte auf die Straße. Es kommt zu einem Aufstand, doch isoliert vom Rest Deutschlands können die Freikorps – unter Führung eines SPD-Ministers – den Aufstand niederschlagen. Viele Revolutionäre, darunter Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, werden verhaftet und kaltblütig ermordet.

Schon im Februar jedoch kommt es zu einem Massenstreik im Ruhrgebiet für die Vergesellschaftung der Zechen. Er wird von denselben Freikorpstruppen niedergeschlagen. Und so geht es weiter. Anfang März gibt es einen Arbeiteraufstand in Thüringen, dann erneut einen Generalstreik in Berlin. Im April rufen die Münchner Arbeiter die Räterepublik aus, dann beginnt ein neuer Generalstreik im Ruhrgebiet, im Mai Arbeiterkämpfen in Sachsen…

All diese Kämpfe von insgesamt Millionen Arbeitern quer durch Deutschland finden im Abstand von wenigen Wochen statt. Die Kapitalisten hatten nur ein paar tausend Freikorpssoldaten, auf die sie sich wirklich verlassen konnten. Hätten alle Aufstände gleichzeitig und zielgerichtet stattgefunden, hätten die Kapitalisten keine Chance gehabt. Doch so werden die Arbeiter nach Monaten mutiger, entschlossener Kämpfe letztlich geschlagen. Stattdessen erleben sie in den nächsten Jahrzehnten die versprochene „Ruhe und Ordnung“ des Kapitalismus: die Weltwirtschaftskrise 1929, Faschismus, Zweiter Weltkrieg...

Doch angesichts der Ausweglosigkeit, der Krisen, Kriege und Barbarei, in die der Kapitalismus die Welt weiterhin stürzt, ist es wichtig, nicht zu vergessen, was die Revolution 1918 gezeigt hat: Nämlich dass es Alternativen zum Kapitalismus geben kann. Und dass die Arbeiterklasse – als einzige – in der Lage ist, eine solche andere Gesellschaftsordnung zu erkämpfen.

 

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