Rezension: Schwarzbuch Raiffeisen
Das Buch von Lutz Holzinger und Clemens Staudinger ist durchaus ein Polit-Schocker! Und das gilt selbst für eingefleischte Kenner der politischen und wirtschaftlichen Zustände in Österreich. Auf 228 Seiten kann man detailliert nachlesen, wie die Raiffeisen-Netzwerke und ihr Handlanger/innen ständig hart am Rande der Legalität agieren. Besonderes Augenmerk legen die Autoren darauf, die verantwortlichen Personen namentlich und mit Biographie vorzustellen.
Vom Genossenschaftsgedanken...
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden die Genossenschaften, vor allem als Zusammenschlüsse von Bauern, um Ein- und Verkauf sowie teure Maschinen gemeinsam zu betreiben. Das brachte eine Menge Vorteile und ermöglichte auch kleinen Bauern zu den Konditionen der Großen agieren zu können. Wie ein Lauffeuer breitete sich diese Organisierungsform ausgehend von mehreren Stellen über weite Teile Österreichs und Deutschlands aus. Kredite, die sich die Bauern quasi gegenseitig verliehen und gemeinsam entschieden, bildeten den Anfang des heutigen Raiffeisen-Bankensektors.
... zur Mafia?
Über hundert Jahren waren vom Schmieden von Netzwerken, Fusionen, Aufkaufen und Ausweiten geprägt. Nun steht der Raiffeisen-Konzern in Österreich mit einer weltweit einzigartigen Vormachtstellung da. Beinahe jede/r zweite Österreicher/in ist Mitglied einer zu Raiffeisen gehörenden Einrichtung (damit hat Raiffeisen eine höhere Dichte als die Kronen-Zeitung in ihren besten Zeiten). So gut wie keine größere Unternehmung passiert hierzulande ohne Beteiligung irgendwelcher Raiffeisentöchter. In der Landwirtschaft ist es dem Konzern gelungen die gesamte Produktionskette zu kontrollieren. Bauern nehmen sich Kredite bei der Raika, kaufen damit Maschinen und Saatgut aus dem Lagerhaus und verkaufen dann die Ernte an die Raiffeisen, welche damit Monopolstellungen bei vielen zentralen Lebensmitteln aufgebaut hat.
Zucker
Das Agrana-Zuckermonopol wurde aufgebaut, seit Maria Theresia die erste habsburgische Zuckerfabrik bauen lies. Besonders in den letzten Jahrzehnte wurden große Anteile und ganze Produzenten in Europa, aber auch im Rest der Welt gekauft. Vor allem nach dem Zusammenbruch des Stalinismus 1989 begann die Agrana eine weitere Offensive, innerhalb weniger Jahre wurde die Sparte Fruchtzubereitung aufgebaut und inzwischen die Weltmarktführung übernommen. Einer der großen Skandale in diesem Zusammenhang ist die 20%-Zuckerpreissteigerung im Oktober 2010, die von der Agrana mit Verweis auf den gestiegenen Weltmarktpreis durchgeführt wurde. Vollkommen ungeachtet, dass die gesamte Rübenzuckerproduktion von der EU derart stark gefördert wird, um den weit billigeren Rohrzucker zu unterbieten und damit Europa vom Weltmarkt abzuschotten. Da beinahe jedes Lebensmittel Zucker benötigt, stieg mit dieser Preissteigerung der Preis von beinahe allen Lebensmitteln an.
Salz, Mehl und Milch
Bei der Mehlproduktion hat Raiffeisen über Leipnick-Lundenburger und der Marke Finis Feinstes eine starke Marktstellung, bei Salz eine Monopolstellung. Bei der Milchproduktion verhält es sich ähnlich; zu Raiffeisen gehören NÖM, Berglandmilch, Gmunder Milch. Seit Jahrzehnten und besonders in den letzten beiden hat die Raiffeisen beinahe sämtliche österreichische Molkereien unter ihre Kontrolle gebracht. Und seither penibel drauf geachtet, daß trotz aller Rekordgewinne, die Bauern etwas weniger als das Existenzminimum für ihre Milch bekommen. Mit ihrer Marktstellung kann sie Bauern zu vollkommen Abhängigen Milchsklaven machen.
Strabag
Eine andere unglaubliche Verflechtung von Politik und Raiffeisen bildet die Strabag. Habt ihr euch schon einmal gewundert, wieso in Österreich zur Zeit sämtliche Bahnhöfe neu gebaut werden, während die Strecken schon lange nicht mehr ausgebaut werden? Im Buch wird genau beschrieben, wie das zustande kommt und welche Milliardenprojekte auf ähnliche Weise mitbeschlossen, mit Krediten versorgt und auf die Straße gebracht wurden. Teilweise wirken die Machenschaften wie ein etwas umständlicher Weg Steuern an eine Bank zu überweisen.
Uniqa, Politiker/innen etc.
Die Uniqa-Versicherung gehört dem Raiffeisen-Konzern, ebenso Teile der VOEST, die man durch die Privatisierungen der ÖVP-FPÖ-Regierung zugeschanzt bekommen hat. Mit der so genannten Gruppenbesteuerung, mit der (angebliche) Verluste von österreichischen Konzernen im Ausland von Gewinnen in Inland abgezogen werden können, wurde die Ostexpansion von Raiffeisen durch die Steuerzahler/innen mitfinanziert (die Gewinne blieben natürlich bei Raiffeisen). Und generell gibt es enge Verbindungen des Raiffeisen-Konzerns zur offiziellen Politik, besonders zur ÖVP, bei der Politiker/innen aus Raiffeisen kommen beziehungsweise nach dem politischen Scheitern in Raiffeisen versorgt werden.
Medien
Was bezügich Raiffeisen dem Faß den Boden ausschlägt, ist aber die Medicur-Holding. Über diese besitzt die Raiffeisen beinahe die halbe Medienlandschaft Österreichs. Von Zeitungen (Kurier, Krone...), Zeitschriften (profil, news, Format, Trend...), über Radio bis Fernsehen (ORS, SAT1). Dazu kommen über die Sryria Group Verbindungen zu Presse, Kleine Zeitung, Wirtschaftsblatt... Und in der anderen Hälfte der Medien ist die Raiffeisen Hauptinserent. Da sich beinahe alle Medien fast ausschließlich über Inserate finanzieren und regelmäßig Kredite brauchen, läßt sich leicht erahnen, wie viele raiffeisenkritische Artikel in Österreich erscheinen. Ein Hinweis ist auch die Schwierigkeit für die Autoren, einen Verleger für das Buch zu finden, und die gute Zusammenarbeit mit der Obdachlosen-Zeitschrift Augustin, welcher offenbar eines der wenigen Medium ist, auf welches die Raiffeisen keinen Zugriff hat. Dort wurden Teile des Buches in einer Serie veröffentlicht.
Bilanz der Autoren
Auf die Frage, was gegen Raiffeisen einzuwenden sei, antworten die Autoren: "Was Unbehagen verursacht, ist die Zusammenballung von wirtschaftlicher, institutioneller und politischer Macht. Kurz: Es geht um die vom späteren Bundeskanzler und katholischem Arbeitermörder Engelbert Dollfuß konzipierte Dreieinigkeit von Genossenschaft, Landwirtschaftskammern und Bauernpartei (aktuell in Gestalt des ÖVP-Bauernbundes)."
Empfehlung
Wenn man das Buch von Holzinger und Staudinger gelesen hat, ist es nur logisch, dass die ÖVP-SPÖ-Regierung die Hypo-Alpe-Adria verstaatlicht hat, um den Großgläubiger Raiffeisen zu retten. Und es lässt auch erwarten, dass die Politik alles tun wird, um die Fehlspekulationen der Raiffeisenbanken in Osteuropa den Steuerzahler/innen umzuhängen.
Das Schwarzbuch Raiffesien macht keine Vorschläge, was die arbeitende Bevölkerung gegen die Machenschaften von Raiffeisen (und anderen Konzernen) tun kann. Das ist aber auch weder der Anspruch noch die Aufgabe des Buches. Es kann aber all denen, die den Kampf der Lohnanhängigen organisieren wollen, einen sehr faktenreichen und konkreten Einblick in das Funktionieren eines wesentlichen Teils des österreichischen Kapitalismus geben. Das Schwarzbuch Raiffeisen ist im Mandelbaum-Verlag erschienen und kostet 16,90 Euro.
Michi Beranek