30.12.2021
Seit Mitte Dezember ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid. Ihm wird Bestechung vorgeworfen, da er dem Großunternehmer Siegfried Wolf geholfen haben soll, eine Steuernachzahlung um ca. 4 Millionen Euro zu senken. Einem Kabinettsmitarbeiter, der sich bei der Angelegenheit skeptisch zeigte, schrieb Schmid per SMS: «Vergiss nicht – du hackelst im ÖVP Kabinett!! Du bist die Hure für die Reichen!»
Solche Bemerkungen sind keine Neuigkeit bei Thomas Schmid. 2021 erregte er schon Aufsehen, als man bei seinen Chatnachrichten lesen konnte, dass er es vermeiden wollte, mit « dem Pöbel » in einer Warteschlange zu stehen. Seine allgemeine Haltung zur arbeitenden Bevölkerung kann man selbstverständlich nur abstoßend finden, aber sie hat zumindest den Vorteil, den Vorhang der kleinen Welt der Kapitalisten und deren Diener, der Politiker/innen, etwas zu lüften. Denn für Schmid wie für Wolf, wie für alle Berühmtheiten, die derzeit in einem Finanzskandal verwickelt sind (und es gibt viele!), ist es völlig normal, sich privilegiert zu fühlen und der Ansicht zu sein, dass man sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern kann.
Diese Heuchler sind aber dieselben Leuten, die uns ständig erklären, dass wir zu viel kosten, dass wir nicht genug arbeiten, dass wir zu viel verlangen, dass man den Mindestlohn nicht erhöhen kann und dass es kein Geld fürs Gesundheitswesen, für die Schulen, für die Bahn, für die Öffis gibt, also schlicht und einfach für alles, was für die arbeitende Bevölkerung nützlich ist. Für sie gibt es nur das Wohl der Reichen und die Arbeitenden sollen nur arbeiten, zahlen und schweigen. Aber welcher Briefträger, welche Krankenschwester, welcher Bauarbeiter, welche Kassiererin kann heute einen Schmid per SMS um Hilfe bitten, wenn sie/er finanzielle Probleme hat?
Keine/r, natürlich, abgesehen davon, dass er mit dem „Pöbel“ nichts zu tun haben will. Obwohl er derjenige ist, der so viel Dreck am Stecken hat, dass er froh sein kann wenn der „Pöbel“ also wir arbeitenden Menschen ihn noch eines Blickes würdigen, denn ohne uns Arbeitende könnte dieser Nichtsnutz nicht einen Tag überleben. Jedenfalls zeigt es wiederum, dass wir Arbeitende nur auf uns gestellt sind. Wir können uns von der Welt der Politik und der Wirtschaft nichts erwarten. Nicht alle Politiker/innen sind zwar so präpotent und so verachtend wie Thomas Schmid, aber alle sind mit der Welt der Kapitalisten durch zahlreiche soziale und menschliche Beziehungen verbunden. Ein Ohr werden sie für die Bedürfnisse der Reichen immer haben. Aber sie werden hingegen nie irgendeine Maßnahme ergreifen, die dem Privatprofit schaden könnte. Gegen die Arbeitslosigkeit werden sie nie die Unternehmen zwingen, die Arbeit unter allen mit gleichem Lohn aufzuteilen. Gegen die sich verbreitende Armut werden sie die Löhne nie erhöhen. Gegen die Preiserhöhungen, die sich seit Monaten so stark auf unsere Leben auswirken, werden sie nie die automatische Anpassung der Löhne und der Pensionen an die Preisentwicklung durchsetzen. Es wären aber für uns notwendige Schritte, wenn wir nicht wollen, dass unser Los sich weiter verschlechtert.
Daher dürfen wir Arbeitende keine Illusion haben. Von den beruflichen Politiker/innen gibt es für uns nichts zu erwarten. Wenn wir unsere Situation ändern wollen, wenn wir in dieser Krisenzeit unsere Arbeits- und Lebensbedingungen verteidigen und verbessern wollen, dürfen wir nur auf unsere kollektive Kraft zählen.