9.6.2023
Am 6. Juni wurde Andreas Babler gegen Hans-Peter Doskozil als neuer Vorsitzender der SPÖ bestätigt. Babler, der sich selbst als Marxist bezeichnet, verwendet in seinen Reden kämpferische Worte, und viele seiner Äußerungen deuten auf ein Programm hin, das positiv für die Lohnabhängigen und die breite Bevölkerung klingt. So spricht er sich unter anderem für die 32-Stunden-Woche, Preisgrenzen in den Bereichen Energie und Wohnen, Ganztagsschulen und -kindergärten, neue Gemeindebauten, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen generell und besonders für Pflegekräfte, bessere Unterbringung von Asylwerbern, eine Millionärs- und Erbschaftssteuer aus.
Und er schlägt in letzter Zeit selten gehörte Töne in der SPÖ an, sagt, dass die Arbeitenden keine Bittsteller sind, sondern sie mit erhobenem Kopf ihre Rechte einfordern können. Dass der Sieger des Wahlkampfs um die SPÖ-Spitze ungewöhnliche Radikalität in seinen Reden aufweist, ist zweifellos ein Zeugnis dafür, dass solche Ideen mehr Resonanz in der arbeitenden Bevölkerung haben … was wiederum eine Folge der zunehmenden Schwierigkeiten ist, mit denen die Arbeitenden jeden Tag konfrontiert sind. Tatsächlich sind viele Leute sogar der SPÖ beigetreten, nur um die Möglichkeit zu haben, ihn als Vorsitzenden zu wählen.
Dennoch wäre es eine Illusion, zu denken, dass einfach nur ein Babler an der Regierung, auch mit den besten Absichten, etwas gegen die Interessen der Kapitalisten und der Superreichen unternehmen könnte. Denn so ein Programm kann man nicht verwirklichen, ohne den Profit der Kapitalisten anzugreifen. Und genau da liegt das Problem.
Die Kapitalisten ziehen ihre Macht nicht aus dem Parlament oder aus irgendeiner Wahl: Niemand hat sie gewählt, aber sie sind trotzdem imstande, Betriebe auf- oder zuzusperren, über Existenzen zu entscheiden, darüber ob jemand einen Job oder eine Wohnung hat, ihr Geld da zu investieren, wo es am meisten Profit bringt, ohne, dass im Parlament oder durch die Bevölkerung darüber abgestimmt wird.
Sie können unzureichende Löhne aufzwingen oder ihre Preise erhöhen, wie es ihnen passt. Wie oft haben die Kapitalisten die Politiker bestochen oder erpresst, oder über andere Kanäle Druck ausgeübt. In seinem weltbekannten Video, erzählt der ehemalige Vizekanzler Strache darüber.
Und wenn das nicht genügt, verfügen die Kapitalisten über maßgeschneiderte Gesetze und einen ganzen Staatsapparat, Richter, hohe Staatsbeamte, deren eigentliche Funktion es ist, ihnen das Geschäft und die Bereicherung zu ermöglichen und zu erleichtern. Und es funktioniert, wie jeder neue Profitrekord an der Börse oder bei den meisten Großbetrieben es immer wieder beweist.
Gegen solche Macht aufzutreten und sich bei den Großkapitalisten das nötige Geld zu holen, das man für die Löhne, die Pensionen, das Gesundheitssystem, die Schulen, billige und würdige Wohnungen, usw., braucht, bedeutet also viel mehr als nur den „Richtigen” zu wählen, selbst wenn er radikale Töne verwendet und Dinge aus der Sicht der Arbeitenden anspricht, die wie ein Stein auf ihrer Brust liegen. Es ist richtig, die sozialen Anliegen, die Babler anspricht, zu verteidigen und sich dafür zu organisieren, aber um das tatsächlich in die Tat umzusetzen, bedarf es der Mobilisierung großer Teile der Arbeiter/innenklasse, die aufstehen und durch Demos und breite Streiks für ihr Interesse kämpfen. So, wie es bisher immer war: Der 8-Stunden Tag, Mutterschutz, Karenz, Urlaub, Frauenrechte, Arbeitszeitverkürzung wurden durch Massenmobilisierungen erkämpft. Auch wenn später alle nur mehr die Gesetze unterzeichnenden Politiker wie Kreisky oder Hanusch im Kopf haben.
Babler kann radikal auftreten, aber das tat vor einigen Jahren auch Alfred Gusenbauer, der Sohn eines Bauarbeiters und einer Reinigungskraft, der jetzt in diversen Aufsichtsräten von Strabag bis zur Signa-Gruppe sitzt, die für den Jobverlust von 6.000 Arbeitenden des Handelshauses Galeria Kaufhof in Deutschland und Kika/Leiner in Österreich verantwortlich ist. Außerdem war es die SPÖ selbst, die 1993 die Vermögenssteuer abgeschafft hat, die sie jetzt fordert.
Die SPÖ hat sich seit langem in eine Partei verwandelt, die nicht ernsthaft bereit ist, die Arbeitenden für den Kampf zur Verteidigung ihrer Interessen zu organisieren und hat multiple und tiefe Verbindungen mit dem Kapital. Die Arbeitenden sollen höchstens mit kleinen Reförmchen davon abgelenkt und ihre Wut gedämpft werden, dass der Profit der Kapitalisten geschützt bleibt, egal, wie ihr/e Vorsitzende/r heißt. Diese Geschichte, wo eine sozialdemokratische Partei radikale Töne verwendet, und dann an der Regierung erklärt, dass „leider nicht alles möglich ist“, dass sie „nichts gegen die Mauer des großen Geldes“ tun kann, haben wir leider bereits mehrmals erlebt und sogar vor kurzem noch in Griechenland.
Gegen die Kapitalisten reichen starke Worte nicht: Das einzige, das eine Gegenkraft ist, ist nicht die SPÖ, sondern die Arbeiterklasse selbst, wenn sie bereit ist, gemeinsam ihre Kraft und unentbehrliche Stellung in der Produktion und der Gesellschaft in die Waagschale zu werfen und sich wieder zusammentut, organisiert. Dann ist sie nämlich alles andere als ohnmächtig. Sie wird nicht nur fähig sein, Verschlechterungen wie Erhöhungen des Pensionsantrittsalters, weitere Sparmaßnahmen und Lohnkürzungen abzuwehren, sondern sogar so stark sein, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Profit für einige wenige Superreiche durch eine Gesellschaft, die für die Interessen der Allgemeinheit produziert und funktioniert, zu ersetzen.