Wir veröffentlichen hier einen Text der deutschen trotzkistischen Organisation Bund Revolutionärer Arbeiter von Mitte Jänner, der zum Anlass des Sturms auf das Kapitol in Washington durch Rechtsradikale geschrieben wurde. Wir fügen am Ende einen Kommentar unsererseits hinzu, der sich auf die Situation in Österreich bezieht.
Vor kaum zwei Wochen hat die Welt erlebt, wie rechtsradikale Banden das Kapitol gestürmt haben. Seitdem aber dreht sich alles nur darum, wann Trump abdankt: Als wären mit seinem Abgang alle Probleme beseitigt!
Wir Arbeitenden dürfen uns nichts vormachen. Trump mag von der Bildfläche verschwinden. Die bedrohlichen rechtsextremen Kräfte werden es nicht. Was am Kapitol passiert ist, ist ein Warnsignal – nicht nur in den USA.
Sicher, noch stellen diese rechten Kräfte eine kleine Minderheit dar. Nur einige Zehntausende waren dem Aufruf von Trump gefolgt, der großspurig einen „Marsch der Millionen“ auf Washington angekündigt hatte. Nur wenige hundert drangen in das Kapitol ein, und ihr Auftritt hatte eher karnevalistische Züge: Man denke nur an den halbnackten Mann, der mit einer Fellkappe mit Hörnern posierte, das Gesicht als Nationalflagge bemalt.
Doch unter diesen albernen Verkleidungen steckten Frauen und Männer, die an die Überlegenheit der „weißen Rasse“ glauben. Hinter ihnen stehen paramilitärischen Gruppen, die in den letzten Wochen – angeheizt durch die Wahlfälschungskampagne Trumps – noch häufiger Schwarze, Einwanderer, Juden und Muslime angegriffen und zum Teil schwer verletzt haben.
Gruppen, die im Sommer in Tennessee versucht haben, die Gründung von Gewerkschaften zu verhindern. Und die einen Hass auf alle „Sozialisten“ hegen, sprich auf alles, was mit sozialen Rechten, Streiks und Perspektiven der Arbeiterklasse zu tun hat – der Klasse, die sich aus all denjenigen zusammensetzt, die diese rechten Banden verachten.
Solche Gruppen hat es schon immer in den USA gegeben. Doch in letzter Zeit nimmt ihre Zahl deutlich zu, auch auf der Basis neuer Verschwörungstheorien. Die wirtschaftliche, soziale und gesundheitliche Krise gibt ihnen Nahrung.
Seit der Finanzkrise von 2008 haben die soziale Unsicherheit, Arbeitslosigkeit und Armut stark zugenommen – und mit ihnen die Angst vor dem sozialen Abstieg und der Hass auf die Machteliten. Viele reagieren, indem sie sich in Nationalismus, Identität und Religion zurückziehen. Trump ist es gelungen, sich auf diese Gefühle zu stützen und damit viele
Wähler zu gewinnen.
Seine rassistische Hetze hat dazu beigetragen, von den eigentlichen Verantwortlichen für die Krise, der kapitalistischen Klasse abzulenken. Und sie hat rechtsradikale Gruppen ermutigt, zu Taten zu schreiten. Diese Gruppen werden weitermachen. Und der erfolgreiche Sturm des Kapitols kann sie dabei nur ermutigen.
Viele, auch deutsche Politiker beschwören nun die „demokratischen Kräfte und Institutionen“, als könnten diese ein Schutz vor diesen Entwicklungen sein. Dabei kamen die rechten, umstürzlerischen Aktionen doch mitten aus dem Herzen eben dieser Institutionen: vom Präsidenten und dem Inneren der Republikanischen Partei.
Heute mögen sich ein paar seiner republikanischen Parteifreunde von Trump distanzieren. Doch solange dieser mit seiner Hetze die Wahlen gewann, hat es sie nicht gestört, dass Trump sein rassistisches und sexistisches Gift versprüht hat.
Heute empören sie sich über den Angriff auf „die Demokratie“, weil das Kapitol geschändet wurde: ihr Tempel, in dem sie Gesetze gegen Arbeiter und Kriege beschließen. Doch als dieselben Banden im Sommer mit Zustimmung Trumps die Demonstrationen gegen Rassismus angegriffen und sogar mehrere Demonstranten umgebracht haben – da haben dieselben Abgeordneten sich kein bisschen über diese brutalen Angriffe auf demokratische Rechte empört.
Nein, ihre „Institutionen der Demokratie“ werden uns nicht vor der Gefahr der extremen Rechten schützen. Das hat auch die Haltung der Polizei am 6. Januar mehr als deutlich gezeigt.
Schon Wochen vor dem 6. Januar war in den sozialen Medien für den Sturm auf das Kapitol geworben worden. Doch während die Polizei bei den Demonstrationen gegen Rassismus, ja sogar bei jeder einfachen Umweltdemonstration martialische Geschütze am Regierungssitz auffährt, war die Polizei diesmal wie weggeschmolzen. Dieselben Polizisten, die keine Skrupel haben, auf schwarze Kinder zu schießen, verhielten sich hier sehr zurückhaltend, ja teilweise komplizenhaft. Einige ließen sich sogar mit den Rechten fotografieren.
Nicht wenige Polizisten fühlten sich den Demonstranten und ihren Ansichten durchaus ein Stück verbunden. Und es ist auch kein Zufall, dass zahlreiche Demonstranten ehemalige Polizisten und Militärangehörige waren. So wie Ashli Babbitt, die Frau, die während des Sturms auf das Kapitol getötet wurde und die vierzehn Jahre lang Soldatin, unter anderem in Afghanistan und dem Irak gewesen war.
Diese Nähe zwischen Polizei, Armee und extremer Rechter ist nicht neu – und sie ist auch keine Besonderheit der USA. Wie viele rechtsradikale Chats, Netzwerke und sogar Terrorzellen sind allein in den letzten zwei Jahren in der deutschen Polizei und der Bundeswehr entdeckt worden! Wie viele Verflechtungen zwischen Angehörigen von Polizei und Verfassungsschutz, der AfD, militanten rechtsradikalen Gruppen und Verschwörungstheoretikern gibt es – genau die, die auch bei uns im Sommer den Reichstag zu stürmen versucht haben.
Wenn wir Arbeitenden nicht wollen, dass diese Kräfte stärker werden, dass in den Stadtteilen irgendwann niemand mehr sicher ist, der nicht in das Weltbild dieser Rechtsextremen passt, dann müssen wir uns darauf vorbereiten, uns ihnen selber entgegenzustellen.
Die Arbeiterklasse verfügt als einzige über die gesellschaftliche Kraft hierfür. Sie ist die einzige, die einen Ausweg aus dem Sumpf der kapitalistischen Krise eröffnen kann, der diese Monster hervorbringt. Wenn die Arbeiterklasse wieder anfängt, für ihre materiellen politischen Interessen zu kämpfen und sich hierfür zu organisieren, kann sie alle diejenigen hinter sich vereinen, die die kapitalistische Gesellschaft satt haben.
Bund revolutionärer Arbeiter, Mitte Jänner 2021
In Österreich sind die Verknüpfungen zwischen Rechtsradikalen und der Polizei auch immer wieder in den letzten Jahren ans Tageslicht getreten. So wurde Anfang Jänner dieses Jahres bekannt, dass ein niederösterreichischer Polizist Neonazis massenweise Munition verkauft haben soll. Diese Leute, die mit Drogen und Waffen handeln, wollten offenbar rechtsradikale Banden in Deutschland mit Waffen zum Aufbau einer Miliz versorgen. Zwei Grazer Polzisten wurden letztes Jahr wegen Wiederbetätigung angeklagt. Der Angeklagte, mit einem Hund namens „Adolf“, meinte, das Verschicken von Hitlervideos ist in Polizeikreisen Usus. Während bei den letzten Anti-Corona-Maßnahmen Demos bekannte und eindeutig erkennbare Neonazi Gruppen von den Leitern des Polizeieinsatzes freundlich begrüßt wurden, wurde bei linken Aktivist/innen mit voller Härte drübergefahren. Wie auch bei der Demo von Umweltschützer/innen 2019, wo mehrere Personen brutal am Boden fixiert, getreten und einer fast von einem Auto überrollt wurde. Bei protestierenden Schüler/innen, die gegen Abschiebungen ihrer Klassenkolleg/innen protestierten, wurde die WEGA, die Antiterroreinheit der Polizei, eingesetzt, um die Schüler/innendemo aufzulösen. Und vergessen wir nicht, dass der ehemalige Innenminister, Herbert Kickl, Mitglied einer Partei ist, der FPÖ, die immer ein Sumpf für Rassisten und Nostalgiker des NS-Regimes gewesen ist.
Also ja, es wäre illusorisch, auf die Polizei zu zählen, um uns vor der Gefahr der Rechtsradikalen zu schützen. Der beste Schutz gegen Rassisten, Faschisten und Neonazis ist die arbeitende Bevölkerung, wenn sie sich organisiert, sich in Bewegung setzt und für ihre Interessen kämpft.