Die Betriebsräte/innen aus dem Bereich Erwachsenenbildung rufen die Beschäftigten zu einer Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt. Der Grund: Das AMS spart und streicht Kurse, insbesondere bei der beruflichen Qualifizierung. Das bedeutet für arbeitslose Lohnabhängige deutlich weniger Ausbildungsmöglichkeiten. Und von den ungefähr 7000 Trainer/innen/jobs im Bereich der AMS-Kurse sollen etwa 1500 bedroht sein.
Hintergründe der Kürzungen
Ein wesentlicher Hintergrund für diese Entwicklung ist natürlich die Sparpolitik der SPÖ-ÖVP-Regierung. „Notwendig" ist das, weil die Regierung zig Milliarden zur Abwicklung der Hypo-Alpe-Adria und zur Rettung von Raiffeisen braucht. Außerdem zahlen die Großkonzerne durch allerlei legale Tricks kaum mehr Steuern. Und die kürzlichen Steuersenkungen sollen nun offenbar Arbeitslose, Kranke und Pensionist/inn/en finanzieren.
Ein anderer wesentlicher Hintergrund ist, dass Anfang des Jahrtausends die ÖVP-FPÖ-Regierung Milliarden an AMS-Reserven ins normale Budget verschoben hat. Versicherungsgelder, die die Lohnabhängigen für den Fall der Arbeitslosigkeit eingezahlt haben, wurden so zweckentfremdet. Jetzt, wo die Arbeitslosigkeit gestiegen ist und das AMS mehr an Arbeitslose auszahlen muss, fehlen die Reserven und das AMS muss anderswo sparen.
Was das AMS nun macht, sind aber nicht nur Kürzungen, sondern auch Umschichtungen: Statt Ausbildungen/Qualifizierungen, soll es Förderungen für speziell für ältere Arbeitslose geben. Dabei sollen nicht ältere Bauarbeiter oder Verkäuferinnen, die nach jahrzehntelangen beruflichen Belastungen Probleme mit den Knien oder dem Rücken haben, einfach Geld bekommen. Stattdessen sollen Firmen Förderungen kriegen, wenn sie ältere Arbeitslose einstellen. Diese Subventionierung von Firmen aus Versicherungsgeldern von Arbeitslosen ist auch deshalb pervers, weil die Anzahl der Jobs ja dadurch nicht steigt (wenn ein/e subventionierte/r Ältere/r den Job kriegt, bekommt ihn dafür eine andere Person nicht).
Antworten auf AMS-Kurs
Die Betriebsräte/innen der Bildungsinstitute und die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) haben natürlich recht, wenn sie gegen die Kürzungen des AMS auftreten und „mehr Mittel für Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen" fordern. Die Frage ist aber auch, wie mit der steigenden Arbeitslosigkeit, den damit gestiegenen AMS-Kosten und die geringeren Reserven für Ausbildungen umgegangen werden sollte.
Den Firmen noch zusätzliche Förderungen zu geben, ist definitiv der Weg in die genau falsche Richtung. Stattdessen sollte die Arbeitszeit der Beschäftigten in Österreich bei vollem Lohnausgleich deutlich (auf 30 oder 25 Stunden pro Woche) reduziert werden und so die vorhandene Arbeit auf alle arbeitsfähigen Menschen aufgeteilt werden. Und wer soll das bezahlen? Geld ist ja genug da, die meisten Konzerne haben in den letzten Jahren Rekordgewinne gemacht, die Superreichen haben außerdem viele Milliarden in Stiftungen etc. geparkt... dort kann es geholt werden (statt bei Arbeitslosen, Kranken und Alten!).
Natürlich wird die Regierung das nicht machen (nicht nur die ÖVP, sondern auch die SPÖ hat sich völlig den Banken und Konzernen verschrieben). Und während in Deutschland zuletzt die Beschäftigten bei Bahn, Post und Kindergärten streikten, organisieren die Gewerkschaften in Österreich kaum Widerstand gegen die ständigen Verschlechterungen für die arbeitende Bevölkerung. Deshalb wird uns Lohnabhängigen nichts anderes übrig bleiben, als von der Basis her selbst Druck aufzubauen und uns zu organisieren.
Zustand der Erwachsenenbildungsbranche
Die Erwachsenenbildung gilt seit langem als Niedriglohnsektor. Obwohl durchaus viele Studierte in diesem Bereich arbeiten und sie im gegenwärtigen System gegenüber den arbeitslosen Kursteilnehmer/inne/n in der Regel auch eine Überwachungs- und Disziplinierungsfunktion haben, bekommen die Trainer/innen meist nicht viel bezahlt. Das ist Ausdruck davon, dass die Aus- oder Weiterbildung von Arbeitslosen in dieser Gesellschaft eben nicht viel wert und da auch nicht so viel Profit drinnen ist wie in anderen Branchen.
Dennoch funktionieren die Institute der Erwachsenenbildung weitgehend nach kapitalistischen Kriterien. Das gilt klarerweise für private und offene profitorientierte Firmen wie „die Berater" oder „Weidinger & Partner"; bei letzterem wurden aufgrund ausbleibender AMS-Aufträge auch bereits Anfang des Jahres 50 Beschäftigte gekündigt. Das WIFI ist durch seine Zugehörigkeit zur Wirtschaftskammer ohnehin auf Kapital- und Managementinteressen ausgelegt.
Etwas anders gelagert ist die Sache beim Berufsförderungsinstitut (bfi). Seine Trägerorganisationen sind ÖGB und Arbeiterkammer und auf geduldigem Papier werden schon einmal gewerkschaftliche Ideale und soziale Verantwortung beschworen. In der Realität funktioniert aber auch das bfi längst nach kapitalistischen Kriterien am Bildungsmarkt. Mit Valerie Hölliger in der Geschäftsführung, der ein Naheverhältnis zur berüchtigten Deloitte-Unternehmensberatung nachgesagt wird, setzte auch noch eine verstärkte Ausrichtung auf den Privatkundensektor ein. Diese Ausrichtung floppte offenbar dramatisch und die erheblichen Verluste in diesem Bereich „mussten" durch den AMS-Bereich ausgeglichen werden (der etwa Werbungskosten mitfinanzieren muss, die er selbst gar nicht braucht). Während dafür und für externe Beratungsfirmen massiv Geld hinausgeworfen wird, gab es beim bfi Wien schon im Winter etwa 50 Kündigungen; außerdem werden Pensionierungen und andere Abgänge nicht nachbesetzt.
Perspektiven
Eine sinnvolle Alternative zu diesen Zuständen wären ein AMS und Bildungssystem, das vollständig unter Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung steht. Das AMS wird aus den Versicherungsbeiträgen der Arbeiter/innen und Angestellten finanziert und dementsprechend sollte dort nicht die Regierung oder irgendwelche anderen Handlanger des Großkapitals das Sagen haben, sondern ausschließlich die Lohnabhängigen. Und die AMS-Gelder für Aus- und Weiterbildung sollten nur an gemeinnützige Bildungsinstitute gehen, wo die Lohnabhängigen insgesamt und die dortigen Beschäftigten den Betrieb selbst organisieren und den Ton angeben (und nicht irgendwelche gewinnorientierten Managements).
Eine solche Alternative zum gegenwärtigen AMS-System lässt sich natürlich nicht von von heute auf morgen realisieren. Dafür sind grundlegende Änderungen in der Gesellschaft notwendig. Die aktuelle öffentliche Betriebsversammlung (= Kundgebung) und die Unterschriftenlisten der Betriebsräte/innen im Bereich Erwachsenenbildung sind OK, aber sicherlich unzureichend, um Kürzungen des AMS und Kündigungen durch die Bildungsinstitute wirklich zu verhindern. Dafür sind die vorhandenen Druckmittel von Arbeitslosen und ihren Trainer/innen in dieser Gesellschaft zu gering.
Notwendig sind im aktuellen Konflikt nicht nur echte betriebliche Kampfmaßnahmen und eine breite öffentliche Kampagne von Beschäftigten der Bildungsinstitute und ihren Betriebsrät/inn/en. Notwendig ist insgesamt eine gesamtgesellschaftliche Perspektive, ein Schulterschluss mit anderen Lohnabhängigen, die ebenfalls von ständigen Verschlechterungen betroffen sind, etwa mit Industriearbeiter/inne/n, bei denen die Arbeit immer mehr verdichtet wird und der Arbeitsdruck immer mehr steigt, oder mit den Krankenpfleger/inne/n, wo die Arbeitsbedingungen die Grenze zur Unerträglichkeit längst überschritten haben. Nur ein gemeinsamer Kampf der Lohnabhängigen und eine neue Arbeiter/innen/bewegung werden etwas in eine positive Richtung verändern können. Dazu brauchen wir entsprechende Organisationsstrukturen und dazu kann jede/r, ob Industriearbeiter/in, Krankenpfleger/in, Arbeitslose/r oder Trainer/in etwas beitragen.
J.M.
Die Kundgebung der Beschäftigten der Bildungsinstitute findet am 2. Juni um 10 Uhr am Ballhausplatz statt.
Zum Weiterlesen zwei von unseren Broschüren:
Bildung & Schule. Marxistische Positionen, die über linke Bildungsdebatte, Reformpädagogik und Schulreform hinaus gehen. Broschüre Nr. 33, Dezember 2014, 80 Seiten, Euro 3
Gesamtschule, Zentralmatura, Lehrer/innen/stand und Bildungsdünkel. Broschüre Nr. 47, April 2015, 50 Seiten, Euro 3
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