24.1.2017
Die Grippewelle in diesem Winter hat die Kapazitäten des Wiener Gesundheitswesens an ihre Grenzen gebracht. In allen Spitälern weiß man schon nicht mehr, wo und von wem die Patient/inn/en versorgt werden sollen. Sogar Gangbetten konnten zeitweise nicht einmal mehr angeboten werden. Von einem neuen und unerwarteten Problem kann aber nicht die Rede sein. Eine Sparpolitik hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass viele Abteilungen reduziert wurden, Betten und Personal eingespart wurden. Die Grippewelle hat dieses System, das unter normalen Umständen schon sehr ausgelastet war gegen die Wand fahren lassen.
Gangbetten soweit das Auge reicht
Seit vielen Jahren ist die Versorgungssituation für Patient/inn/en, die ein Krankenhausbett im Winter benötigen, verheerend. Das heißt, die Krankenhäuser sind überfüllt und es steht nicht genügend Personal für die vielen schwerkranken, meist älteren, Patient/inn/en zur Verfügung. Derzeit ist fast jede Station mit mehr als einer Handvoll Betten am Gang belegt. Dort liegen die Kranken häufig tagelang, müssen am Gang im Intimbereich gewaschen werden, haben nicht einmal den Rückzugsort eines vollbelegten Sechsbettzimmers, wo wenigstens in der Nacht das Licht abgedreht ist. So manch einer hat in Wien schon seine letzte Stunde am Gang verbracht. Wo ist die Menschenwürde, die alle Spitalsmanager immer so gerne in den Mund nehmen?
Ohne Personal kein Krankenhausbetrieb
Manche Abteilungen können aufgrund der Einsparungen die vorhandenen Stationen gar nicht mit Personal bespielen. Sie müssen dann trotz hohem Bedarf geschlossen bleiben. Einige Abteilungen wurden bereits als Bettenstationen geschlossen. Eine besonders absurde Geschichte ist, dass Patient/inn/en aufgrund von Personalmangel trotz freier Zimmer in den Gängen untergebracht werden. Begründet wird das damit, dass es für die stark reduzierten Pflegekräfte organisatorisch anders nicht machbar wäre. Und wenn die Zimmer als Überbelegung gelten würden, würde aus Mangel an Betten die Krankenhausleitung wahrscheinlich trotzdem zusätzlich Gangbetten zulassen. Wie diese versorgt werden, soweit denkt das nur an Zahlen denkende Management nicht. An ausgebildetem Pflegepersonal mangelt es jedenfalls nicht, viele Pflegekräfte bewerben sich bei den öffentlichen Krankhäusern, werden aber mit der Begründung abgewiesen, dass kein Bedarf bestünde.
Auf den Unfallabteilungen gehören Gangbetten das ganze Jahr hindurch zur traurigen Realität (mit diesen Gangbetten alleine könnte eine neue Unfallabteilung aufgemacht werden). Auf den anderen Abteilungen, insbesondere den internen Abteilungen ist die Situation besonders im Winter dramatisch. Aber nicht nur im Winter liegen die Patient/inn/en am Gang, auch im Sommer. Der KAV (Krankenanstaltenverbund) schreibt zwar Gangbetten wären eine Notfalllösung in belasteten Zeiten. Der Realität entspricht das aber nicht. Die Pflege und Ärzt/inn/en belächeln das: Im Winter haben wir die Grippewelle, im Sommer dann die Magendarmviren - wann also wäre für die Spitalsmanager der sogenannte Normalzustand?
Notaufnahmen überlastet
In der Erstversorgung, also den Notaufnahmen mangelt es an ärztlichem und Pflegepersonal. Das Resultat waren in Spitzenzeiten dann Wartezeiten bis zu 8 Stunden, manchmal sogar mehr. Es wird zur Unmöglichkeit alle Patient/innen, die eine schnelle Versorgung brauchen, in der medizinisch notwendigen Zeit zu behandeln. Alte immobile Patient/inn/en, die auf die Toilette müssen, können von der Pflege, die bei Notfällen assistieren muss, nicht dorthin begleitet werden und liegen an besonders überlasteten Tagen in ihren Fäkalien oder der Harn tropft auf den Boden. Die dort Arbeitenden halten diese Situation auch nicht lange aus. Wer hier arbeitet, bleibt freiwillig oft höchstens ein paar Jahre. Die Zahl der Burnouts ist enorm hoch. Und was macht die KAV (Krankenanstaltsverbund) - Leitung? Sie wollte sogar noch ärztliches Personal auf Notaufnahmen in zwei Spitälern kürzen, was vorerst durch den Ärztestreik im Herbst abgewendet wurde.
Die Politik macht sich's leicht: Schuld seien die Ärzte
Der Grund für die vielen Gangbetten seien die Hausärzte, die im Urlaub wären und die Spitalsärzte, die auch im Urlaub sind. Laut der Wiener Patientenanwältin (Interessensvetreterin der Patient/inn/en) Sigrid Pilz könnten die Hausärzte durch Hausbesuche die Gangbetten vermindern. Es stimmt, viele praktische Ärzte haben um Weihnachten herum geschlossen. Aber die Situation hat ja schon im November begonnen. Im Moment besteht ein enorm hoher Bedarf an Betten für schwerkranke Menschen mit hohem Fieber. Diese Patienten brauchen Therapie in die Vene, Inhalationen und Kreislaufstabilisierende Maßnahmen, was die Hausärzte durch vermehrte Hausbesuche auch nicht abdecken könnten. Durch mehr Hausärzte oder mehr Ärztefunkdienstverfügbarkeit würden die Notaufnahmen sicherlich etwas entlastet, aber an der Situation der Gangbetten würde sich nichts ändern.
Was die Urlaubssituation im Spital betrifft so wird oft ein Urlaubsverbot von den Dienstplanverantwortlichen ausgesprochen. Urlaube werden in dieser Zeit nur sehr restriktiv gegeben und es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass, wer an Weihnachten nicht arbeitet, zu Silvester arbeiten muss. Tatsächlich ist der Personalstand oft so heruntergefahren, dass sogar die wenigen Urlaube, die genehmigt werden, zusammen mit Krankenständen zu einer richtig brenzligen Situation führen. Die einzige wirkliche Lösung für das Problem ist mehr Personal. Wieso sollte es notwendig sein, dass medizinisches Personal in jedem Winter gar nicht mehr auf Urlaub fahren darf? Irgendwann fällt ihnen vielleicht ein, dass man überhaupt nicht mehr auf Urlaub gehen darf. Dieses Problem ist hausgemacht und ist nur durch neue Stellen zu beseitigen.
Belastung für Patient/inn/en und Personal
Die aktuelle Situation ist psychisch und physisch eine Belastung für Patient/innen und für medizinisches Personal. Wer sagt einem Patienten, der starke Schmerzen hat, gerne, dass man sich erst in ein paar Stunden darum kümmern kann, weil es derweil noch dringendere Notfälle gibt? Wer lässt gerne eine 90-jährige Dame sechs Stunden lang warten? Der Stress führt zu Überlastung und natürlich auch zu Fehlern. Alle werden grantig und aggressiv oder deprimiert.
Lassen wir uns nicht irreführen. Nicht das Personal, sei es Pflege, Ärzte, Abteilungshelfer/innen, Träger/innen, Rettungssanitäter/innen haben Schuld an dieser Situation. Aber diejenigen, die seit Jahren, diese Situation entstehen lassen haben: Die Politiker in Wien aber auch in der Provinz – wo die Situation in den Krankenhäusern gar nicht besser ist -, deren Ziel vor allem immer mehr bei der Gesundheit zu sparen ist. Aber die so rasch sind, die Finanz zu pflegen!
Die Herrschenden behandeln Krankenhäuser, als wären sie Fabriken. Schneller, schneller, schneller – möglichst hohe „Stückzahl" in möglichst kurzer Zeit. Doch diese Logik gehört nicht in ein Krankenhaus! Wir brauchen keine Sparmaßnahmen in den Spitälern, keine Schließung von Stationen, sondern weniger Auslastung und mehr Zeit für jeden Patienten und jede Patientin.