Am 2. Februar hat die Voith-Konzernleitung angekündigt, dass über 800 Beschäftigte in Deutschland gekündigt und die Papiermaschinenproduktion am Standort St. Pölten endgültig geschlossen werden soll. 150 Arbeiter/innen sollen hier ihren Job verlieren. Die Beschäftigten sind schockiert, der Betriebsrat hat Widerstand angekündigt.
Voith ist ein deutscher Großkonzern, der zu 100% im Eigentum der Familie Voith ist. Weltweit hat der Konzern 39.300 Beschäftigte in mehreren Sparten: Voith Hydro (Technik für Wasserkraftwerke), Voith Turbo (Antriebs- und Bremssysteme), Voith Industrial Service (technische Dienstleistungen etwa für die Fahrzeug-, Flugzeug-, Öl/Gas- oder Chemieindustrie) und eben Voith Paper (Herstellung von Papiermaschinen). Im letzten Geschäftsjahre hatte Voith einen Umsatz von 53 Milliarden Euro und sogar offiziell (nach den ganzen üblichen legalen Tricksereien) einen Profit von 41 Millionen Euro.
Schon im vergangenen Jahr musste der Voith-Standort in der Landeshauptstadt eine massive Kündigungswelle hinnehmen, 290 Beschäftigte verloren damals ihren Job. Damals gab es keine Kampfmaßnahmen von Betriebsrat und Gewerkschaft, lediglich ein Sozialplan für die Gekündigten wurde ausgehandelt. Und man ließ sich darauf vertrösten, dass so zumindest die restlichen Arbeitsplätze gesichert werden könnten... eine Illusion, wie sich jetzt zeigt.
Der Voith-Arbeiter Florian Schober sagte, "Spaß ist des kana, eigentlich a Wahnsinn, dass die alles zuadrahn da." Und sein Kollege Karl Kos: "I hab a Familie mit drei Kinder. Und die Arbeitsplatzsituation is eh ned guat bei uns, also Arbeitsplatz finden ist schwierig." Arbeiterbetriebsrat Martin Stern versuchte, die Stimmung zusammenzufassen: "Es fehlen uns die Worte, es freut keinen mehr arbeiten."
Verständnis für die Entscheidung der Voith-Konzernleitung, die von sinkenden Auftragszahlen und unumgänglichen Maßnahmen spricht, gibt es nicht, sagt Betriebsrat Roland Hötzinger, „weil wir haben auch im vergangenen Jahr, wo dieser riesige Kahlschlag war, wieder ein super Betriebsergebnis abgeliefert." Der Betriebsrat möchte mit Vertretern der Geschäftsführung in Deutschland in Verhandlungen treten, um „noch zu retten, was zu retten ist." Das erklärte Ziel sei, „dass die Walzenfertigung weiterhin auf diesem Standort bleibt." In den Verhandlungen gehe es aber auch um einen detaillierten Sozialplan für die Betroffenen.
Der St. Pöltner SPÖ-Bürgermeister Matthias Stadler kritisierte die Entscheidung der Voith-Konzernleitung, fürchtet eine weitere Zerteilung des Voith-Standortes St. Pölten und forderte Verhandlungen: „Wir werden mit der Konzernleitung und der Familie Voith umgehend das Gespräch suchen und ausloten, welche Möglichkeiten und Perspektiven es für Voith Paper am Standort gibt. Es wurde uns bisher immer versichert, dass Voith zum Standort St. Pölten steht", erklärte der Bürgermeister. Es sei „völlig unverständlich", dass bei einem Unternehmen, das hohe Gewinne schreibe, so viele Mitarbeiter gehen müssten.
Es ist natürlich zu befürchten, dass es bei Bürgermeister und Betriebsrat bei den Worten bleibt, dass sie lediglich einen Sozialplan ausverhandeln und die Werkschließung schießlich hinnehmen, ohne auch nur zu versuchen, einen wirklichen Kampf zu organisieren. Klarerweise ist ein Kampf schwierig, wenn eine Konzernleitung sich einmal für eine Schließung eines Standortes entschieden hat und wenn noch dazu bereits im letzten Jahr fast 2/3 der Belegschaft rausgeworfen wurden.
Allerdings will die Voith-Leitung noch bis Ende 2016, also mehr als ein Jahr lang, vorhandene Aufträge im Werk St. Pölten abwickeln. Das bedeutet, dass die Belegschaft jetzt noch ein Druckmittel in der Hand hat, dass jetzt Kampfmaßnahmen den Profit des Konzerns - und nur darum geht es der Familie Voith - treffen können. Das kann von Dienst nach Vorschrift, langsam arbeiten, einer bedauerlichen Häufung von Krankenständen über ständige Betriebsversammlungen bis hin zu richtigen Streiks reichen. Es wäre außerdem möglich, die 350 Kolleg/inn/en bei Voith Hydro und Voith Turbo am selben Standort in St. Pölten sowie an den von Kündigungen betroffenen deutschen Voith-Standorten Krefeld, Neuwied, Ravensburg und Heidenheim für einen gemeinsamen Kampf zu gewinnen. Die Belegschaft bräuchte freilich geeignete Organisationsstrukturen, um einen solchen kämpferischen Weg einzuschlagen.
Ein solcher Kampf kann Erfolge bringen, wenn es sich die Konzernleitung etwas kosten lässt, sich Verluste durch Arbeitsniederlegungen zu ersparen. Eine Konzernleitung kann aber auch auf hart schalten und für die Schließung Probleme bei der Auftragsabwicklung und Verluste in Kauf nehmen. Dann spitzt sich ein Kampf zu und stellt letztlich die Frage der Verfügungsgewalt über das Werk auf die Tagesordnung - wem gehört das Werk, der Konzernleitung oder denjenigen, die dort arbeiten und es am Laufen halten?
Der St. Pöltner Bürgermeister hat nichts verstanden, wenn er meint, dass die Schließung "völlig unverständlich" sei, weil das Werk doch Gewinne mache. Ja, es macht Gewinne, aber das reicht den Damen und Herren der Voith-Familie nicht; sie wollen mit der Verlagerung nach Asien mehr Gewinne machen - und dafür sind ihnen die "doch eh gewinnträchtigen" Arbeiter/innen in St. Pölten völlig egal. So ist die Logik des kapitalistischen Systems, die sämtliche Konzerne immer ungenierter durchsetzen.
Diese Logik zu durchbrechen, bedeutet, sämtliche Betriebe, die geschlossen oder wo Beschäftigte gekündigt werden sollen, zu enteignen und unter Kontrolle der Belegschaften zu verstaatlichen. Beispiele für industrielle Betriebe, die in Eigenregie der Beschäftigten weitergeführt werden, gibt es, etwa in Argentinien. Notwendig ist dazu eine wirklich kämpferische Arbeiter/innen/bewegung. Sie gilt es aufzubauen.
4. Februar 2015