Oktoberrevolution: Die Arbeiter ergreifen die Macht in Russland

 

November 2007

 

Während Europa im vierten Jahr des Schreckens des Ersten Weltkrieges gefangen war, ergriffen die Delegierten des Arbeiter, Soldaten und Bauern die Macht, als sie sich in Petrograd zu einem Kongress versammelt hatten. An diesem 7. November 1917, am 25. Oktober nach dem damals in Russland geltenden Kalender, war der erste Arbeiterstaat geboren. So fing eine neue Periode an, die für die unterdrückten Massen ganzen Russlands und des Rests der Welt voller Hoffnung war.

 

So sehen es nicht die gegenwärtigen bürgerlichen Historiker und Journalisten. Für einen guten Teil von ihnen war die Revolution nur ein Putsch von den Bolschewiki. Der "Totalitarismus" des von Lenin organisierten Regimes erklärt ihrer Meinung nach die Diktatur Stalins, die sich später durchsetzte.

 

Dass es im März (Februar) 1917 den russischen Arbeitern und Bauern, die in der Armee massiv angeworben waren, gelungen war, die reaktionärste Diktatur Europas, den Zarismus, niederzuschlagen, könnten heute diese intellektuellen Verteidiger der bürgerlichen Ordnung mit einem guten Auge zu sehen. Aber dass dieselben armen Klassen viel mehr wollten und dass, im Gegensatz zu vielen früheren Revolutionen, die Arbeiter die bürgerlichen Politiker nicht allein an der Macht lassen wollten, dass diese Arbeiter ihr Los nicht den alleinigen Händen der bürgerlichen Regierung anvertraut haben, dass sie also ihre eigene Macht aufgebaut haben, ruft immer noch ihr Entsetzen hervor, nach fast 100 Jahren. Die bewaffneten Arbeiter: das ist für sie der Totalitarismus.

 

Es war aber die Kraft dieser Revolution, dass sie eben weitergegangen ist.

 

Das Ergebnis von acht Monaten Revolution

 

Nach März (Februar) 1917 hatten die bürgerlichen Abgeordneten der "Duma", eines zur Zeit des Zar gegründeten Parlaments, und die Anhänger des zaristischen Regimes eine "provisorische" Regierung gebildet. Zur selben Zeit hatten sich aber die Arbeiter ihrerseits in Räten (auf Russisch "Sowjets") organisiert. Aus gewählten und abwählbaren Arbeiterdelegierten bestehend, waren sie viel demokratischer als die bürgerlichen Parlamente. Und vor allem stellten sie Formen der Macht dar, durch die die Bevölkerung ihren Willen direkt durchsetzen konnte.

 

Lenin sah schon in diesen Sowjets die zukünftigen Organe der Arbeitermacht. In seinem ersten "Brief von Weither", am 7. März, schrieb Lenin: "Neben dieser Regierung (der provisorischen Regierung), die im wesentlichen nur ein bloßer Gehilfe der Firma der 'England-Frankreich-Milliardäre' im aktuellen Krieg ist, ist eine Arbeiterregierung plötzlich aufgetaucht, die nicht-offizielle, noch embryonale, relativ schwache Hauptregierung, die die Interessen des Proletariats, aller armen Schichten der Bevölkerung in den Städten und am Land vertritt. Das ist der Sowjet der Arbeiterabgeordneten Petrograds, der Verbindungen mit den Soldaten und den Bauern sucht."

 

Im März 1917, in der Begeisterung des Sieges gegen des Zarismus, herrschte immer noch die Illusion, dass die provisorische Regierung zu unterstützen die beste Garantie für die revolutionären Errungenschaften wäre. Aber im Frühling und im Sommer 1917 fielen die Illusionen allmählich.

 

Die Rolle der bolschewistischen Partei und das revolutionäre Programm Lenins

 

Wenn die damaligen Sozialisten, Menschewiki und Sozialrevolutionäre, die am Anfang die Mehrheit in den Sowjets hatten, diese Illusionen verstärkten, gab es eine andere Partei, die die absolute Notwendigkeit einer Machtübernahme durch das Proletariat verteidigte: die bolschewistische Partei. Nach einer Periode von Unentschlossenheit am Anfang der Revolution machte sich diese Partei im April 1917 den Aufruf Lenins zueigen: "Alle Macht den Sowjets."

 

Am Anfang waren die Bolschewiki in den Sowjets die Minderheit. Die Massen machten aber sehr schnell die Erfahrung, was die Versprechungen der anderen Parteien und der bürgerlichen Regierung wirklich Wert waren.

 

Die Arbeiter verlangten Brot, aber diese Regierung war unfähig, die Katastrophe abzuwehren, weil sie sich weigerte, radikale Maßnahmen gegen die spekulativen Geschäfte der Bourgeoisie zu treffen. Die Bauern wollten das Land, man bat sie aber zu warten. Und wenn sie sich das Land selbst aneignen wollten, das sie bewirtschafteten, wurden sie hart niedergeschlagen. Die Soldaten verlangten den Frieden, aber die von einem Sozialisten (Kerensky) geführte Regierung startete einen militärischen Angriff im Juni.

 

Lenin verteidigte die absolute Notwendigkeit einer Machtübernahme durch das Proletariat, aber er ignorierte auch nicht, dass die Arbeiterklasse in Russland eine Minderheit gegenüber der gewaltigen Masse der Bauern war. Er wusste dennoch, dass sie unter allen bestehenden sozialen und politischen Kräften die einzige war, die die von der Revolution auf die Tagesordnung gestellten Aufgaben bewältigen konnte.

 

Der Aufstand an der Tagesordnung

 

Die Politik der Bolschewiki verursachte große Feindseligkeit seitens der Armeeführung und der Kapitalisten, aber auch der liberalen Politiker oder reformistischen Sozialisten. Die Londoner Zeitung "Times" druckte damals als Schlagzeile: "Das Mittel gegen den Bolschewismus sind die Kugeln."

 

Aus Anlass einer Demonstration in der Hauptstadt im Juli 1917 versuchten die Verfechter der bürgerlichen Ordnung die bolschewistische Partei zu verbieten. Lenin musste Zuflucht in Finnland suchen und Trotzki, der andere Hauptführer der bolschewistischen Partei, landete im Gefängnis. Die Repression konnte aber den revolutionären Aufschwung nicht brechen. Nach einer kurzen Periode Mutlosigkeit ging er weiter. Die von den Bolschewiki organisierten Arbeiter von Petrograd brachten einen militärischen Putschversuch des Generals Kornilow zum Scheitern.

 

Diese Monate mit revolutionären Erfahrungen hatten das Bewusstsein der Arbeiter und ihre Entschlossenheit gestärkt. Was zu den Erfolgen der Bolschewiki in fast allen Wahlen führte, denn einer der großen Unterschiede zwischen den Sowjets und den parlamentarischen bürgerlichen Versammlungen war, dass die Abgeordneten nicht für fünf oder sechs Jahre gewählt waren, sondern ersetzt werden konnten, wenn die von ihnen unterstützte Politik die Zustimmung ihrer Wähler verloren hatte. Schon Anfang September gelangte so die Leitung des Petrograder Sowjets in die Hand der Bolschewiki - und die des Moskauer Sowjets kurz darauf.

 

Die Situation ermöglichte, dass die Macht in der Gesellschaft in die Hände der Sowjets ging. Der bewaffnete Aufstand war an der Tagesordnung. Er fand in der Nacht vom 6. auf dem 7. November 1917 statt. Die Übernahme der Gebäude, wo der Rest der diskreditierten Regierung Zuflucht gefunden hatte, wurde auf militärischer Ebene von einer begrenzten Anzahl revolutionärer Arbeiter und Soldaten ausgeführt. Das bedeutete aber nicht, dass es der Putsch einer Minderheit war. Denn im ganzen Land hatte die riesige Mehrheit der Arbeiter und Soldaten die Notwendigkeit des Aufstands verstanden. Und sie unterstützten ihn, sonst hätte die Revolution ihre Macht nie festigen können.

 

Die ersten Maßnahmen der sowjetischen Macht

 

Der erste der Dekrete der neuen revolutionären Macht betraf den Frieden. Sie schlug allen anderen Regierungen der Welt einen sofortigen Frieden ohne Eroberungen vor. Um diesen Frieden durchzusetzen, appellierte sie an die Völker.

 

Der zweite Dekret betraf das Land: die entschädigungslose Enteignung der Besitzungen der Grundbesitzer und der kirchlichen Ländereien. Man forderte die Bauern auf, diese Maßnahme selbst durchzuführen und ihre Umstände zu beschliessen: die bäuerlichen Sowjets sollten selbst die Verteilung der enteigneten Landgüter organisieren, die ihnen anvertraut wurden.

 

Am Anfang verstaatlichte die Macht der Sowjets die Industrie- und Geschäftsbetriebe nicht. Sie unterwarf sie aber der Kontrolle der Arbeiter. Im Endeffekt war die Kraft dieser neuen Macht, dass sie dem Verlangen von dutzenden Millionen Menschen entsprach, indem sie ihren Willen, ihr Los zu ändern, in die Realität umsetzten. Am 7. November 1917 war Russland die erste Bastion einer Revolution geworden, die die Welt erschüttern sollte.

 

 

 

 

Plakate


Plakat 4.jpg

Publikationen