04.09.2017
Seit mehr als sieben Monaten reißt eine Protestwelle in einigen Städten rund um Al Hoceïma in Marokko nicht ab. Sie richtet sich gegen den König, und seine menschenverachtende Bürokratie, gegen Armut und Arbeitslosigkeit. Die Demonstranten fordern öffentliche Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Schulen und Universitäten, die den Namen auch wert sind.
Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte
Ende 2016 starb der Kleinhändler Mohsin Fikri unter grausamen Bedingungen. Die Polizei hatte nämlich seinen Schwertfisch beschlagnahmt, weil dessen Fischfang nicht genehmigt war. Als er in die Mülltonne nachsprang, um zu versuchen, seinen Fisch zu retten, wurde er selber von der Maschine zerfleischt. In einer Region, wo die Arbeitslosigkeit und die Armut extrem hoch sind und die einfachen Leute der Behördenwillkür ausgesetzt sind, steht diese Situation als Sinnbild für ihren Kampf ums Überleben und wie verachtend die königlichen Beamten mit ihnen umgehen.
Kein Wunder, dass sich der Zorn gegen ihre unmenschlichen und aussichtslosen Lebensbedingungen sowie gegen die Behörden, die ihnen das Leben täglich nach Belieben erschweren nach diesem Ereignis Luft machen musste.
Rebellionen im Norden Marokkos
Die nördliche Region um Al Hoceïma hat schon viele Rebellionen gesehen. So fanden hier große Proteste gegen die französischen Kolonialherren Anfang des 20. Jahrhunderts statt, aber auch gegen die Vorfahren des derzeitigen Königs. Nicht zuletzt deshalb ist sie eine von der Monarchie vernachlässigte Region, die Industrie unterentwickelt und das Leben besonders hart.
Die Proteste, die seit Monaten zehntausende Menschen auf die Straßen bringen, wurden vom König Mohamed VI anfangs noch zugelassen. Es wurden nur Gerüchte in Umlauf gebracht, dass die Demonstrationen vom Ausland finanziert wären, um die Bevölkerung zu spalten. Da eine Abschwächung der Proteste dadurch nicht gelang, wendete der König schließlich Gewalt an, verbot Demonstrationen, sperrte Protestierende ein.
Nasser Zefzafi, einer der bekannten Gesichter der Proteste warf der König ins Gefängnis, weil er es wagte beim Freitagsgebet in der Moschee gegen den Imam zu sprechen, der den Protestierenden vorwarf Marokko zu spalten. Er schrie: „Lügner!“ Und wollte wissen, wem die Moschee diene: „Gott oder den Mächtigen?“
Die in Marokko bekannte Sängerin Silya Ziani, die für die Frauenrechte kämpft, wagte es die Autorität des Königs in Frage zu stellen, indem sie unter anderem den Slogan: "Ihre Majestät, das Volk!" verwendete. Damit landete sie ebenfalls im Gefängnis.
Aufgrund der anhaltenden Unzufriedenheit und Proteste und um die Situation zu entschärfen entließ der König am 29. Juli Silya Ziani und andere Gefangene der Protestbewegung in die Freiheit. Der König versprach, Geld in die unterentwickelte Region zu investieren, wovon sich aber wenige wirkliche Verbesserungen erwarten.
Die Mobilisation geht trotz verstärkter Repression weiter. Die verbotenen Demonstrationen finden unter anderem an den Stränden statt, wo die Protestierenden vor den Polizisten ins Meer flüchten und sich zerstreuen.