Seit Jahren geht die Zahl der Streiks in Frankreich zurück. Und seit langem gab es keinen echten offensiven Arbeiterkampf. Natürlich gab es einige Ausnahmen, wie bei Continental in Clairoix oder bei PSA in Aulnay, und in ein paar anderen Betrieben, aber das waren Abwehrkämpfe gegen Werksschließungen.
Aber im Mai und Juni hat sich eine Bewegung in den Pariser Krankenhäusern entwickelt. Vor ein paar Monaten hat nämlich die Gesundheitsministerin neue Sparmaßnahmen in den Spitälern des Landes angekündigt. Konkret bedeutete das für das Personal die Abschaffung von rund 20 Tagen pro Jahr in den Zeitkonten, eine Neugestaltung der Arbeitszeit. Zum Beispiel müssten die verschiedenen Schichten nicht mehr während rund einer halben Stunde zusammenarbeiten. Aber natürlich sollten die Krankenpfleger/innen das weiter tun, um alle Auskünfte über den Zustand der Patient/inn/en den Kolleg/inn/en zu übermitteln und so weiter, aber jetzt ohne dafür bezahlt zu werden.
Und sie wollten dies zuerst in den Krankenhäusern von AP einführen (AP in Paris ist das gleiche wie der Krankenanstaltenverbund KAV in Wien). Gegen diese neuen Angriffe haben am 21. Mai alle Gewerkschaften der 37 Krankenhäuser von AP zum Streik angerufen. Die Teilnahme war ziemlich bedeutend: zwischen 40% und 60% je nach Spital, mit einer Großdemonstration in Paris. Natürlich mussten an diesem Tag viele trotzdem arbeiten, weil sie von der Verwaltung dienstverpflichtet worden waren. Trotzdem waren viele Aktivist/inn/en von diesem Erfolg erstaunt. Es soll daran erinnert werden, dass seit Jahren eine sehr große soziale Ruhe in den Krankenhäusern herrscht. Und dass die letzte wichtige Bewegung im Gesundheitsbereich 1988 stattfand. Damals war die Kampfbereitschaft stark genug, um es zu ermöglichen, verschiedene Organisationsformen des kämpfenden Personals (Koordinierungskomitees und so weiter) zu schaffen.
Ab dem 21. Mai 2015 hat sich also eine Bewegung während eines Monats weiter entwickelt, mit mehreren Streiktagen, ungefähr alle zwei Wochen. Aber die Zahl der Teilnehmer/innen an den Aktionen hat allmählich abgenommen. Diese Bewegung ist also begrenzt geblieben. Es gab sicher eine Unzufriedenheit, besonders bei dem Pflegepersonal, eine Minderheit war aktiv, aber niemand war bereit mehr zu tun, damit das ganze Projekt echt vom Tisch ist. Aber überall gibt es kleine Gruppen, die sich während mehrerer Wochen getroffen haben und dazu beitragen, verschiedene Aktionen zwischen den Streiktagen zu organisieren, besonders um die Patient/inn/en und ihre Besucher/innen zu informieren. Das konnte eine Lokaldemonstration von einer Gruppe von Krankenhäusern sein. In anderen Spitälern wurden eine Woche lang leere Krankenbetten in der Vorhalle aufgestellt, mit Plakaten drauf, anderswo wurde die Eingangshalle in eine große Ausstellungen mit Fotos der Demonstrationen umgewandelt und so weiter.
Letztendlich hat das Ministerium angekündigt, dass es mit den Gewerkschaften weiter verhandeln werde und dass es sein Projekt in einigen Krankenhäusern oder „Pilot-Stationen" testen wolle, „um die konkreten Folgen zu messen". Viele Krankenpfleger/innen haben verweigert teilzunehmen, aber die Teilnahme am neuen Aktionstag am 17. September ist schwach geblieben. Die AP-Leitung hat also keinen echten Rückzieher gemacht und sie wird sicher nochmals versuchen, ihren Plan auf eine andere Art einzuführen. Und man hat den Eindruck, dass die Gewerkschaftsführungen sich damit begnügen werden, einige „Verbesserungen" zu verhandeln.