12.12.2016
Die Wahl ist abgeschlossen, dieses monatelange, millionenverschlingende Spektakel ist endlich vorbei.
Die Wenigsten werden an eine große Veränderung unter dem zukünftigen Präsidenten Van der Bellen glauben. Viele Wähler haben ihn nur gewählt, damit Hofer nicht gewinnt - und besonders die Mehrheit der Frauen, die gegen Hofer gestimmt haben. Sicher haben Hofers offene Unterstützung für Donald Trump und dessen wiederholte frauenfeindliche Äußerungen viele Frauen angewidert. Und das ist gut so.
Über die wahren Probleme der Arbeitenden redete keiner
Jedoch hatte Van der Bellen uns Beschäftigten nichts zu sagen. Der grüne Kandidat sprach nur, wie ein abgehobener Professor, vom Ansehen Österreichs, von dem Platz Österreichs in den europäischen Institutionen, usw. Aber von der Realität, die die einfache Bevölkerung tagtäglich erlebt, wusste er gar nichts. Genau wie diejenigen, die ihn unterstützt haben, interessiert er sich nicht für das Leben der Arbeitenden, die einen ständigen Arbeitsdruck ertragen, die um die Zukunft ihrer Kinder bangen. Das Los all derjenigen, die nur befristet arbeiten oder nur schlecht bezahlte Jobs finden, ist nicht seine Sorge. Auch nicht die Pensionisten, die mit einer niedrigen Pension auskommen müssen.
Vor 40 Jahren hatten die Arbeiter/innen keine Angst vor Arbeitslosigkeit. Man ist bei einer Firma weggegangen und die nächste Firma hat einen mit Handkuss genommen. Heutzutage muss man sich erniedrigen, sein ganzes Leben der Arbeit und den Chefs unterordnen und selbst dann ist man seines Jobs nicht mehr sicher. Die Reallöhne sind gesunken, die Arbeitslosigkeit gestiegen, die Armut gewachsen. Und seit der Finanzkrise 2008 ist das noch schlimmer geworden. Ständig schreien die Politiker, dass das Land hohe Schulden hat und dass wir diese Schulden bezahlen müssen, obwohl wir dafür gar nicht verantwortlich sind. Jetzt, nachdem die Wahl vorbei ist, spricht die Regierung wieder von mehr Flexibilität und vom 12-Stunden-Tag und hat ihr Versprechen über die Abschaffung der kalten Progression längst „vergessen“.
Auch Norbert Hofer, der angeblich die sogenannte Elite angreift, greift tatsachlich nie die echte Elite an: die Vermögenden, die Superreichen, die sich seit 40 Jahren immer mehr bereichert haben und die für die Verelendung so vieler die Verantwortung tragen. Er will dezidiert keine Vermögenssteuern und lehnt höhere Steuern auf Gewinne ab. Stattdessen betreibt er das alte Spiel und versucht verschiedene Gruppen von Arbeiter/innen wegen ihrer Herkunft gegeneinander auszuspielen. Wenn er gewählt worden wäre, hätte er auch eine arbeiterfeindliche Politik geführt. Es genügt zu sehen, wie enthusiastisch er für Trump ist, diesen Milliardär, der jetzt seine Regierung mit Großbankern und Spekulanten besetzt, um für die Elite der Finanzwelt zu regieren.
Das Vertrauen in unsere gemeinsame Kraft zurückgewinnen
Wie viele verschiedene Farben haben wir an der Regierung und als Präsidenten gehabt? Blau-Rot-Schwarz-Grün: In Bund und Ländern hatten wir alle. Und was hat sich zum Positiven verändert?
Absolut nichts. Als Geschenk bekamen wir etliche verheerende Pensionsreformen, eine dramatische Senkung der Abfertigungszahlungen mit der „Abfertigung neu“, reichlich Privatisierungen sowie Steuersenkungen für Großkonzerne und Reiche. Seit Jahrzehnten müssen die Arbeitenden die Angriffe der Kapitalisten erdulden, die nur ihren Profit, ihren Reichtum und ihre Herrschaft über die Gesellschaft im Sinn haben. Und mit der anhaltenden Krise des Kapitalismus haben diese Angriffe für uns immer gravierendere Folgen. Was die Reichen uns früher zugestehen konnten, weil die Wirtschaft ihnen steigende Profite ermöglichte, wollen sie heute nicht mehr hergeben.
Deshalb hängt unser Los nicht ab von der Farbe des Bewohners der Hofburg, sondern von unserer Fähigkeit, gegen die Front der Kapitalisten und der in ihrem Dienst stehenden Regierungen aufzutreten, und zwar mit unserer eigenen Front: die der Arbeitenden aller Herkunft.
Nichts wird sich für uns, die wir alle Reichtümer erschaffen, wirklich verbessern, solange wir unsere Stimme nicht erheben und unser kollektives Interesse durchsetzen.