12.12.2022
Bei den herbstlichen Lohnverhandlungen hat diesmal ein bisschen ein anderer Wind geweht als in den letzten Jahren. Die Metaller, die privaten Pflegekräfte und der Sozialbereich, die Eisenbahner, die Beschäftigten der Ordensspitäler, die Arbeitenden im Handel, das Flughafen-Sicherheitspersonal, die Brauerei – Arbeiter/innen – sie alle haben Streiks angekündigt.
Auch wenn letztendlich nur die Eisenbahner, die Beschäftigten der Ordensspitäler, die Brauerei-Arbeiter/innen (zwar nur kurz) gestreikt haben, hat das die Bosse der Wirtschaft beunruhigt. Sofort haben irgendwelche Unternehmer-freundlichen Anwälte erklärt, was es alles bei einem Streik zu beachten gibt, mit der Absicht, die Arbeitenden abzuschrecken und ihnen Angst zu machen … auch wenn es in Österreich kaum einschränkende Gesetze dazu gibt. Ihrerseits hat die FPÖ, die behauptet eine „Sozialpartei“ zu sein, gegen die Eisenbahner gewettert. Anscheinend hat die FPÖ nur die Arbeitenden gern, wenn diese sich nicht wehren und unterwürfig sind.
Dass die Wut gegen die ungenügenden Löhne angesichts der Teuerung immer größer wird, haben aber die Unternehmer und Manager selbst verursacht. Denn für die Oberen in der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung, die Großkapitalisten, ist das, wofür die Arbeitenden kämpfen, ein Brotkrümel, vielleicht ein Gala-Abendessen im Hilton. Die würden sich nämlich mit einer Erhöhung von 175 Euro brutto im Monat niemals zufrieden geben, wie es im Sozialbereich für die niedrigsten Gehälter ausverhandelt wurde. Der Bundeskanzler bekommt ja auch „nur“ 5,8%-Lohnerhöhung – also bescheidene 1.200 Euro. Eh klar, bei einem Grundgehalt von 24.000 Euro wirds beim Kredit für die Villa mittlerweile immer schwieriger!
Die feinen Leute der Wirtschaft und der Politik finden Streiks maßlos und unverantwortlich. Dennoch finden sie es in Ordnung, dass man bei einem 40 Stunden-Job heutzutage noch 1.356 Euro netto verdient, wie das bei den niedrigsten Löhnen beim Nightjet der Fall ist. Auch die Bosse des Handels haben in den Coronajahren dauernd von der Wichtigkeit der Beschäftigten geredet und sich eine goldene Nase verdient. Sie hatten aber tatsächlich die Frechheit, nur 4%-Lohnerhöhung anzubieten, obwohl die Inflation bereits bei über 11% lag und die niedrigsten Lohngruppen im Handel auch nur 1.370 Euro netto verdienen. Die Chefs der Ordensspitäler fanden den Streik unverhältnismäßig, aber gleichzeitig stellen sie die Tatsache nicht in Frage, dass das System vor dem Kollaps steht, weil die Pflege und die Beschäftigten im Gesundheitsbereich aus allen Löchern pfeifen.
Für die arbeitende Bevölkerung haben die Krise und die Inflationswelle jedenfalls katastrophale Folgen. Laut der Arbeiterkammer sind nun 25% der Familien mit zwei Kindern von Armut betroffen, mit drei Kindern sogar 40%. Die Sozialberatungsstellen der Caritas mussten von 56 auf 71 ausgeweitet werden, und allein in Wien werden jede Woche 26 Tonnen an Lebensmitteln ausgegeben.
Die Kapitalisten und die Politiker/innen in ihrem Dienst können noch so sehr gegen die Streiks hetzen. Wenn es den Arbeitenden reicht, werden sie sich nicht von ihren Märchen einschüchtern lassen. Und dann wird man spüren, wer hier den Laden schupft. Die Demonstrationen und Streiks der letzten Wochen, auch wenn sie für ein so ruhiges Land wie Österreich bemerkenswert sind, werden natürlich nicht reichen, um der Offensive der Bosse, die ihre Profite auf unserem Rücken sichern, die Stirn zu bieten. Dazu wird es einer massiven und dauerhaften Mobilisierung der Arbeitenden bedürfen, die über die übliche Lohnrundenroutine gehen. Aber diese ersten Arbeitsniederlegungen gehen in die richtige Richtung. Denn sie können Beschäftigte in anderen Branchen ermutigen, selber den Kampf für bessere und vor allem ausreichende Löhne aufzunehmen. Die Bosse werden jedenfalls uns allen immer wieder Gründe geben, auf ihre Angriffe zu antworten. Wie wir darauf reagieren und uns wehren: Darüber müssen wir untereinander diskutieren.