20.05.2019
Am 26. Mai wird die Wahl für das Europaparlament stattfinden. Hört man den großen Parteien im Europawahlkampf zu, dann ist die EU entweder die Ursache aller Probleme oder die Lösung dieser Probleme.
Eine FPÖ will uns weismachen, „Brüssel“ sei an allen Verschlechterungen, die wir in den letzten Jahrzehnten bemerkt haben, schuld. Wegen der ausufernden Bürokratie. Und auch weil die EU dem österreichischen Staat und der Wirtschaft ihren Willen aufzwingen würde. Ach ja? Kam das Gesetz vom 12-Stunden-Tag aus Brüssel? Ist Brüssel daran schuld, dass die Reallöhne vieler Arbeiter/innen und Angestellten seit Jahren nur noch sinken? Hat Brüssel Einsparungen beim Arbeitslosengeld, Kürzungen bei der Mindestsicherung beschlossen?
Hat Brüssel der österreichischen Regierung eine Steuerreform vorgeschrieben, bei der die Konzerne Milliarden weniger Steuern zahlen werden, auf Kosten des Sozialsystems? Wer hat das Antrittsalter für die Altersteilzeit nach oben verschoben? Und wer tüftelt bereits daran, das Pensionsantrittsalter auf 67 zu erhöhen? Die österreichische Regierung.
Also nein, die täglichen Sorgen der arbeitenden Bevölkerung kommen nicht aus Brüssel. Sie kommen daher, dass die reichen Kapitalisten ihre Interessen und ihre Gier nach immer mehr Profit auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung durchsetzen – und der österreichische Staat ihnen nach Kräften dabei hilft.
Wo Nationalismus hinführt und auch die Illusion, dass es durch weniger EU und mehr Nationalstaat der arbeitenden Bevölkerung besser gehen würde, davon kann derzeit Großbritannien ein bitteres Lied singen. Das Gesundheitswesen ist dort so überlastet, dass z.B. Ärzt/innen bereits darüber nachdenken, die Patient/innen gemeinsam, in Gruppen, zu begutachten.
Auch denjenigen, die wie die SPÖ oder die „Grünen“ oder NEOS für mehr Europa werben, geht es darum, mehr für die Kapitalisten zu tun – und darum, dass die österreichischen Kapitalisten bei einem militärisch und wirtschaftlich starkem Europa, auch in der Welt gut mitschneiden können. Von einem sozialen Europa kann nicht die Rede sein. Oder warum haben sie seit 70 Jahren keinen europäischen gleichen und hohen Mindestlohn zustande gebracht? Das wäre ein echter sozialer Fortschritt gegen Lohndumping.
Und die FPÖ, die will, dass man mehr „österreichisch“ kauft, stört es nur, wenn osteuropäische Bauern ihre Produkte in Westeuropa verkaufen. Wenn österreichische Bauern oder Kapitalisten exportieren, sagen sie nichts. Oder stört es sie, dass Nöm, Wörle und Rupp nach China exportieren? Sie haben auch nichts dagegen, dass die OMV libysches und rumänisches Öl abzapft. Nein. Ihre Idee, dass alles österreichisch sein soll, hat einen Haken: Österreichische Bauern könnten gar nicht ohne die Maschinen, deren Teile aus Afrika, China, und allen möglichen Ländern kommen, ihre Felder bestellen.
Und während die FPÖ wieder in die Vergangenheit zurückkehren und Stacheldraht um jeden Staat in Europa ziehen will, wollen die anderen Großparteien eine ebenso barbarische und mörderische Festung um die Außengrenzen Europa herum errichten.
Die Wahl, die man uns anbietet – zwischen Rückkehr zu den Nationalstaaten einerseits- und mehr Entscheidungen auf europäischer Ebene andererseits – ist keine Wahl für uns Arbeitende.
Der österreichische Staat UND die EU schützen beide die Interessen der Kapitalisten. Vor diesem Hintergrund sind beide gleichermaßen Feinde der Arbeitenden. Die Arbeitenden der anderen Länder hingegen sind unsere Verbündeten. Überall haben wir Arbeitende die gleichen Interessen und müssen sie gegen die Profitgier der Kapitalisten verteidigen. Je zahlreicher wir dies tun, je mehr wir dabei zusammenhalten, desto stärker können wir sein. Und deshalb sind Nationalismus und wiederentstehende Grenzen eine echte Gefahr.
Nieder mit der Festung Europa! Es lebe das Europa der Arbeiterinnen und Arbeiter!