Marxismus-Buchreihe Nr. 27, Wien 2005, 176 Seiten, 9 Euro, ISBN 3-901831-23-1
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Editorial
In der neuen Frauenbewegung der 1960er und 1970er Jahren gab es grob gesagt drei Strömungen: die sozialistischen FeministInnen, die versuchten, feministische und sozialistische Ansätze zu verbinden, die liberalen FeministInnen, die vor allem für eine rechtliche Gleichstellung im System kämpften und die RadikalfeministInnen, die mit öffentlich wirksamen Aktionen gegen Alltagssexismus und Patriarchat antraten. Ab den 1980er Jahren erlebte die neue Frauenbewegung einen Niedergang. Sie verlor zunehmend ihren Bewegungscharakter und wurde in großem Ausmaß in die Institutionen des kapitalistischen Systems integriert.
In der vorliegenden Arbeit untersucht die Autorin Maria Pachinger die Konzeptionen der sozialistischen und marxistischen FeministInnen in der neuen Frauenbewegung, die einen systemüberwindenden Anspruch hatten. Die ausgewählten Protagonistinnen sind in den meisten Fällen repräsentativ für bestimmte Strömungen oder Konzepte.
Christine Delphy und Heidi Hartmann sehen das Patriarchat als eigenes ökonomisches Ausbeutungssystem neben dem Kapitalismus. Maria Rosa Dalla Costa betrachtet Hausarbeit als mehrwertschaffend und als essentiellen Bestandteil der kapitalistischen Produktionsweise. Frigga Haug betrachtet die bestehenden Geschlechterverhältnisse als konstitutiv für den Kapitalismus und spielte eine wichtige Rolle für die Opfer-Täter-Debatte. Die „Standpunktfeministin" Nancy Hartsock versucht einen feministischen Historischen Materialismus zu begründen, mit dem sie den Frauen einen spezifischen Erkenntnisstandpunkt zuschreibt.
Michele Barrett sieht die Frauenunterdrückung nicht als konstitutiv für den Kapitalismus an und legt den Fokus auf die ideologische Funktion der Geschlechterverhältnisse. Johanna Brenner liefert vor allem eine historische Untersuchung der Geschlechterverhältnisse und sieht die ArbeiterInnen als Subjekt im Kampf gegen Frauenunterdrückung und Kapitalismus. Martha E. Gimenez betrachtet die Frauenunterdrückung auf der analytischen Ebene als nicht konstitutiv für den Kapitalismus und versucht ihr Verständnis einer marxistischen Methode auf die Geschlechterverhältnisse anzuwenden.
Pachinger überprüft die genannten Konzeptionen auf ihren Anspruch der Überwindung von Frauenunterdrückung und Kapitalismus. Sie entwickelt aus der kritischen Auseinandersetzung mit diesen Positionen Grundlinien eines eigenen Ansatzes. Besonderes Augenmerk legt sie dabei auch auf die entsprechenden politischen Konsequenzen.
Die vorliegende Arbeit von Pachinger ist der erste größere publizistische Ausdruck einer intensiven Beschäftigung der Arbeitsgruppe Marxismus mit dem Themenbereich Frauenunterdrückung – Geschlechterverhältnisse. Zwei weitere Bücher sind in Arbeit: zu ArbeiterInnenbewegung und Frauenbefreiung beziehungsweise zum Mainstream der neuen Frauenbewegung.
Inhalt
Editorial
Sozialistischer und marxistischer Feminismus
Einleitung
Marxistischer und sozialistischer Feminismus – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Marxistischer/sozialistischer Feminismus und die ArbeiterInnenklasse
Abgrenzung von den Radikalfeministinnen
Abgrenzung von der radikalen Linken
Christine Delphy
Für eine materialistische Methode
Patriarchale vs. kapitalistische Ausbeutung
Exkurs: Der Klassenbegriff bei Marx
Delphys Wahrheitsbegriff
Heidi Hartmann
Kritik am Marxismus
Kritik am „marxistischen" Feminismus
Theorie des Patriarchalen Kapitalismus
Hartmanns Ökonomismus
Frigga Haug
Geschlechterverhältnisse als Produktionsverhältnisse
Rezeption von Haugs Theorie – am Beispiel von Bidet-Mordrel und Bidet
Die „Opfer-Täter-Debatte"
Maria Rosa Dalla Costa
Die Hausarbeitsdebatte
Kritik der politischen Ökonomie der Ausbeutung der Frauen
Die Produktivität der Hausarbeit
Exkurs zur wertschaffenden Arbeit
Politische Konsequenzen
Feministische Kritik
Marxistische Kritik
Nancy Hartsock
Der feministische Standpunkt
Ein feministischer Historischer Materialismus
Kritische Anmerkungen
Michele Barrett
Kapitalistische und geschlechtliche Arbeitsteilung
Die sexistische Rolle der männlichen Arbeiter
Die Geschlechterideologie: Deus ex machina
Kritik am Patriarchatsbegriff
Politische Konsequenzen
Exkurs zur „späten" Barrett
Johanna Brenner
Materielle Ursachen für die Entstehung der geschlechtlichen Arbeitsteilung
Bedingungen im 20. Jahrhundert
Einschätzung der Institutionalisierung der Frauenbewegung
Klassen- und Geschlechteridentitäten
Exkurs: Butler und die Identitätsbildung
Brenners Beitrag zur Intersectionality-Debatte
Politische Konsequenzen
Martha E. Gimenez
Zur historisch-materialistischen Methode
Kritik an Engels' Ursprung des Privateigentums, der Familie und des Staats
Gimenez' Methode
Der Race – Gender – Class – Diskurs (RCG)
Faktoren der Identitätsbildung
Politische Konsequenzen
Kritik und Entwicklung eines eigenen Ansatzes
Exkurs: Ellen Meiksins Wood
Ergebnisse und Perspektiven
Literaturverzeichnis