Das Jahr 2000 bedeutete einen Einschnitt. Nach 30 Jahren wurde die SPÖ von der Regierung verdrängt. Die Sozialdemokratie hatte – vor allem über ihre Kontrolle der Gewerkschaften – der Kapitalist/inn/enklasse gute Dienste erwiesen. Nun aber sollte ein verschärfter Kurs gefahren und die Kräfteverhältnisse in der „Sozialpartnerschaft“ neu gestaltet werden – und das überantwortete das Großkapital einer neuen Rechtsregierung aus ÖVP und FPÖ.
Und die Konzerne konnten mit dieser Regierung durchaus zufrieden sein. Die Lohnstückkosten sind in Österreich überproportional gesunken, die Profite deutlich gestiegen. Die Privatisierungen der VOEST, der VA-Tech und von Böhler-Uddeholm (an Konzerne mit besten Regierungsverbindungen wie Raiffeisen und Siemens) wurden über die Bühne gebracht, die von Bundesbahn (ÖBB) und Postbus auf die Schienen gestellt. Gegenüber den Lohnabhängigen in Österreich konnten unter „Schwarz-Blau“ wesentliche Projekte der Bourgeoisie durchgebracht werden. Dazu gehörten vor allem die massiven Verschlechterungen im Bereich der Pensionen, die für Banken und Versicherungen ein zusätzliches Geschäft mit Privatpensionen schafften, und die sogenannte Steuerreform, die eine weitere Steuerentlastung für das Großkapital bedeutete. Im Sozialbereich wurde erheblich gekürzt. Außerdem konnte die Kapitalist/inn/enklasse den direkten Zugriff ihrer Hauptpartei, der ÖVP, auf verschiedene Teile des staatlichen Repressions- und Verwaltungsapparates weiter verstärken.
Dabei war es nicht das Projekt der österreichischen Bourgeoisie, die „Sozialpartnerschaft“, also die systematische Einbindung der Gewerkschaftsbürokratie in die bürgerliche Herrschaft, gänzlich aufzukündigen. Vielmehr ging es dem heimischen Kapital um eine „Sozialpartnerschaft neu“, also um die deutliche Zurückdrängung des gewerkschaftlichen Einflusses bei gleichzeitiger Fortsetzung der Einbeziehung der Gewerkschaften.[1]
Die ÖVP hat sich in dieser Offensive des Kapitals im Sinne der bürgerlichen Klasseninteressen außerordentlich bewährt und sich trotz der massiven Angriffe auf große Teile der österreichischen Bevölkerung bemerkenswert gut gehalten. Sie blieb bei Wahlen einigermaßen stabil und wurde von der Clique um Wolfgang Schüssel straff geführt. Die rechtspopulistische FPÖ war zwar ein williger Mehrheitsbeschaffer für die Schüssel-Regierung, aufgrund des zu offensichtlichen Widerspruchs zwischen ihrer sozialen Demagogie und ihre kapitalhörigen Politik kam es allerdings zu Einbrüchen in ihrer Wähler/innen/schaft.
Die SPÖ hat ihre staatstragende Politik weiter fortgesetzt. Sie verfügte über keine grundsätzliche politische Alternative zur patriotischen Standortlogik. Sie war und ist bereit, bei den Verschlechterungen bei Budgetsanierung, Pensionen, Gesundheitsversorgung und Arbeitszeitflexibilisierung „konstruktiv“ mitzuarbeiten. Diese Ausrichtung der SPÖ wirkte sich auch auf die von ihr beherrschten Gewerkschaften aus, die keinen ernsthaften Widerstand gegen die Angriffe des Kapitals organisierten.
Durch zahlreiche Posten (Sozialversicherungen, Aufsichtsräte, Parlament) sind die Gewerkschaftsbürokrat/inn/en ein Teil des bürgerlichen Systems geworden und sind es trotz Zurückdrängungen auch weiterhin geblieben. Die politische Logik der Gewerkschaftsbürokratie war weiterhin die der Verwaltung des österreichischen Kapitalismus und seines Staates. Darüber hinaus war (und ist) der ÖGB auch Teil der Kapitals selbst. Er besaß zu 100% die Banken BAWAG und PSK, zwei der größten Banken des Landes und einige kleinere Banken (Sparda-Bank, Verkehrskreditbank, Kapital- und Wertbank). Fast alle Teilgewerkschaften besaßen Immobiliengesellschaften, allein die Privatangestelltengewerkschaft GPA verfügte über 6.000 Wohnungen, 2.800 Garagen und 100 Geschäftslokale – und sie betrieben/betreiben diese Gesellschaften im Wesentlichen auch wie normale kapitalistische Unternehmen. Der ÖGB war (inklusive BAWAG-Anteilen) mit 20% nach der Republik der größte Einzelaktionär an der Nationalbank. In seinem Eigentum war die Privatstiftung Solidarität (Druckerei, Medienbeteiligungen, Buchvertrieb, Immobilienmanagement, Finanzverwaltung) ebenso wie Hotels, Ferienanlagen und 41% des Privatfernsehens ATV.
Damit hatte und hat der ÖGB auch die Interessen einer Kapitalgruppe und handelte im überwiegenden Teil auch danach. Das hatte nur zu deutliche Auswirkungen auf seine Politik. Die ÖGB-Bürokratie war so ins System integriert, über so viele Kanäle mit der Bourgeoisie verbunden, dass von ihr auch gegen die schwarz-blaue Rechtsregierung keine klassenkämpferische Politik zu erwarten war. Obwohl sie ein Interesse hatte, ihre Basis (die Beitragszahler/innen und den Einsatz bei sozialpartnerschaftlichen Deals) zu halten, war sie weiter bereit, diverse asoziale Angriffe „konstruktiv“ mitzuverwalten. Wichtig war der ÖGB-Spitze vor allem, dass sie als Verhandlungspartner an Bord blieb, denn
[1] Die politische Situation in Österreich 2005 (Thesen der Arbeitsgruppe Marxismus), auf: www.arbeiter-innen-kampf.org