Im obersteirischen Rottenmann kam es im November 1970 zu einem 12-tägigen Streik im Bauknecht-Werk, an dem sich etwa 1.400 Arbeiter/innen und gut 200 Angestellte beteiligten. 1960 hatte der deutsche Elektro-Konzern das Werk sehr günstig gekauft. Das Werk wurde bis 1970 auf rund 1.800 Beschäftigte und damit zum größten Werk des Konzerns ausgebaut. Konzerninhaber Günter Bauknecht erhielt das Große Silberne Ehrenzeichen der Republik und wurde zum Ehrenbürger von Rottenmann. Erkauft wurde der Ausbau des Werkes allerdings mit niedrigen Löhnen, die teilweise weit unter dem österreichischen Durchschnitt lagen. Verhandlungsversuche des Betriebsrates waren stets abgewiegelt worden.
Im Sommer 1970 unternahmen die Betriebsräte einen neuerlichen Versuch, die Löhne dem Branchendurchschnitt anzupassen. Nachdem der lokale Geschäftsführer keine Vollmacht hatte, kam am 10. November Günter Bauknecht jun. nach Rottenmann, die Gespräche blieben aber ohne Ergebnis. Daraufhin wurde am 12. November auf einer Betriebsversammlung ein 24-stündiger Warnstreik beschlossen. Die Geschäftsführung reagierte prompt: Den ins Werk zurückkommenden Beschäftigten wurde per Lautsprecher das Betreten des Betriebsgeländes untersagt, was einer Aussperrung gleichkam. Am nächsten Tag wurde die Lohnauszahlung verzögert, in den Lohntüten fand sich dann ein Schreiben der Firmenleitung, in dem Schadenersatzklagen und eine Stilllegung des Werkes angedroht wurden. Konzernchef Bauknecht senior verweigerte Gespräche mit den Betriebsräten und lud stattdessen eine Delegation leitender Angestellter zu sich nach Stuttgart ein, die ihre Treue zur Firma bekundeten.
Damit eskalierte der Konflikt. Auf einer weiteren Betriebsversammlung wurde ein unbefristeter Streik ausgerufen. Die Stadt Rottenmann stand im Bann des „Streiks gegen die Ehrenbürger" (wie die „Kleine Zeitung" titelte). Nahezu die gesamte lokale Bevölkerung und mehr als 20.000 Beschäftigte aus anderen obersteirischen Betrieben solidarisierten sich und leisteten erhebliche Geldspenden. Auch die Metaller/innen/gewerkschaft unterstützte den Streik, der ja nicht in einem verstaatlichten Betrieb stattfand, vorbehaltslos. Gleichzeitig fuhren Lautsprecherwagen von Bauknecht durch den Bezirk Liezen, die die Belegschaft zur Wiederaufnahme der Arbeit aufforderte. Schließlich zeigte die Angst vor einer Stilllegung des Betriebes beziehungsweise individuellem Arbeitsplatzverlust eine gewisse Wirkung. Tatsächlich fanden sich am 23. November etwa 80 Beschäftigte zur Wiederaufnahme der Arbeit im Betrieb ein.
Insgesamt stand die Streikfront aber weiterhin stabil. Die Konzernleitung war zunehmend öffentlichem Druck ausgesetzt. Die geringe Konzessionsbereitschaft von Bauknecht stieß auch bei Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer auf Unverständnis. Unter Vermittlung der sozialpartnerschaftlich orientieren Wirtschaftskammer vereinbarten schließlich Bauknecht junior und der Obmann der Metallergewerkschaft am 25. November einen Kompromiss: Die Prämien wurden etwas erhöht und das Fahrgeld wurde von der Firma vergütet. Noch am gleichen Tag nahm die Belegschaft in einer Urabstimmung den Kompromiss an. Der Streik wurde abgebrochen. 48
48 Karlhofer 1983, S. 69-72