Die Spritzgussmaschinenfabrik Engel in Schwertberg ist der größte Betrieb im Mühlviertel (Oberösterreich). Dem Betriebsleiter Josef Hanl wurde seit längerem die Schuld für ein unmenschliches Betriebsklima gegeben: Arroganz gegenüber den Arbeiter/inne/n, konsequente Ausschaltung des Betriebsrates, ständige Missachtung der Menschenwürde bis hin zur Androhung von Ohrfeigen. Als Hanl einen Werksurlaub ohne individuelle Termingestaltung und ein neues Akkordsystem mit mehr Überwachung einführen wollte, brach der bisher latente Konflikt offen aus.
In der Früh des 21. Januar 1975 weigerten sich die etwa 400 Arbeiter/innen der ersten Schicht, das Werksgelände zu betreten. Sie würden erst an ihre Arbeitsplätze gehen, wenn Hanl weg ist. Sowohl die Geschäftsführung als auch der Betriebsrat waren von der spontanen Aktion völlig überrascht. Die Geschäftsführung lud zu einer Versammlung im Speisesaal, um die Sache zu besprechen. Die Arbeiter/innen schlugen das aus; es sei ihnen ja bisher auch nicht gestattet gewesen, den Saal für Betriebsversammlungen zu benutzen. Außerdem hätte sich bei einer Versammlung jemand exponieren müssen – und hätte dann womöglich Sanktionen zu fürchten gehabt.
Es erschienen der Landessekretär der Metaller/innen/gewerkschaft, ein Vertreter der Handelskammer und der Präsident der oberösterreichischen Arbeiterkammer. Doch alle Verhandlungsversuche scheiterten, weil es eigentlich nichts zu verhandeln gab. Die Arbeiter/innen verlangten kompromisslos die Absetzung des Betriebsleiters. Sie wählten keine/n Sprecher/in und weigerten sich auch eine vierköpfige Delegation zu Gesprächen zu schicken. Eine Schicht nach der anderen harrte tagelang bei regnerischem Januarwetter vor dem Werkstor aus und erwartete die Entfernung von Hanl aus der Firma.[57]
Die Engel-Belegschaft hatte keineswegs eine besonders kämpferische Tradition, ihre ultimative Verweigerung war vielmehr das Ergebnis von unerträglich gewordenen Arbeitsbedingungen. Den Betriebsinhabern boten sie sogar an, nach Erfüllung ihrer Forderung durch freiwillige Mehrarbeit den Schaden durch den Betriebsstillstand wieder gut zu machen. Ein Versuch der Geschäftsleitung, durch Befragen der Meister eventuelle „Rädelsführer“ ausfindig zu machen, schlug fehl, da auch diese sich dem Ausstand anschlossen. Der Rückhalt des insgesamt recht passiven Betriebsrates in der Belegschaft war offenbar gering, denn er spielte in der ganzen Angelegenheit keine relevante Rolle.
Der Arbeitskampf bei Engel erregte in der Öffentlichkeit ziemliches Aufsehen. Es gab Solidaritätsbekundungen unter anderem aus der VOEST in Linz, wo ja viele Pendler aus dem Mühlviertel (und so wohl auch etliche Verwandte und Freunde der Engel-Arbeiter/innen) arbeiteten. In einem kleineren Betrieb in Schwertberg fand ein kurzer Solidaritätsstreik statt, Bürgermeister der umliegenden Gemeinde gaben Sympathieerklärungen ab. Und so streikte die Belegschaft trotz der Androhung von Entlassungen weiter.
Die Metaller/innen/gewerkschaft stand dem Ausstand bei Engel mit Reserviertheit gegenüber. Sie war auch durch die Androhung von Gewerkschaftsaustritten nicht zu einer offiziellen Anerkennung des Streiks zu bewegen – da für das Streikziel jede Rechtsgrundlage fehle. Der Streik wurde daher bis zu seinem Ende nicht sanktioniert, die Gewerkschaft trat aber dennoch in Verhandlungen mit den Betriebseigentümern.
Die Eigentümer versuchten anfangs, den Streik zu beenden, ohne ihren Betriebsleiter Hanl absetzen zu müssen. Mit Fortdauer der Arbeitsniederlegung wurde ihnen der Preis zu hoch, und sie realisierten wohl auch, dass mit Hanl kein gedeihliches Betriebsklima mehr möglich sein würde. Und so unterbreiteten sie den Kompromissvorschlag, dass Hanl nicht mehr Betriebsleiter, sondern nur noch Berater der Firma sein sollte. Empfohlen von der Gewerkschaft, nahmen die Arbeiter/innen dieses Angebot schließlich an. Der Streik wurde am 29. Januar abgebrochen, die Gewerkschaft zahlte den Arbeiter/innen nachträglich Streikgeld aus.[58]